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Reality Fairy Tale

(von Stephanie Tallen)

 

„Ahrgh... Mist! Wieso habe ich Tannennadeln im Mund?!“ Aufrecht im Stuhl sitzend spuckte Frank Black, Special Profiler beim FBI, um sich. Während seiner Recherchen zum aktuellen Fall musste er eingeschlafen sein...

Etwas verwirrt kratzte er sich am Kopf.

„Tannennadeln...?!“, dachte er bei sich. „Seltsam, bisher waren es doch immer Tannenzapfen!“

Seit einigen Wochen verlief es nun schon so, dass zwei der Top-Profiler des FBI von mysteriösen Träumen geplagt wurden und noch beim Aufwachen den Nachgeschmack dieser Visionen schmeckten. Im wahrsten Sinne des Wortes...

Frank betätigte nun eine Taste des Keyboards und der Bildschirm seines Computers erwachte zum Leben.

Er schüttelte den Kopf. Nichts. Seine Nachforschungen, Anfragen und Gesuche hatten nichts ergeben. Keinerlei Rückmeldungen seiner Kontakte in aller Welt. Nichts.

Resigniert fuhr er den Rechner herunter und stand auf. Für heute reichte es. Ein wenig Schlaf in seinem Bett würde ihm jetzt besser tun, als noch einige weitere unbequeme Stunden in seinem abgenutzten Schreibtischsessel.

Vorsichtig bahnte er sich einen Weg durch die Tannenzapfen, die über den Boden verstreut lagen und verließ sein kleines Kellerbüro.

 

* * *

 

„Mom, wo hast du denn immer diese vielen Mandeln und Lebkuchen her?“, fragte Chloe, als sie zum Frühstück wieder einmal, wie so oft in den letzten Wochen, eine Vielzahl kleiner Knabbereien auf dem Tisch vorfand.

„Och,... ähm...“, stotterte Sam leicht verlegen auf der Suche nach einer Antwort. Sie konnte ihrer Tochter ja nicht einfach sagen, dass sie die ekligen Dinger aus einem dieser ungeklärten Träume mitgebracht und beim Erwachen nahezu ausgekotzt hatte.

„Ach, weißt du...“

Es klingelte an der Haustür.

Dankend verdrehte Sam die Augen zum Himmel.

„Das wird John sein“, sagte sie. „Er wollte mich heute abholen. Bis später dann, Schatz.“

Sie gab ihrer Tochter einen Abschiedskuss auf die Wange, sorgsam darauf bedacht, keinesfalls mit Lebkuchenkrümeln in Kontakt zu geraten, verließ dann schnell die Küche und öffnete die Haustür.

„Guten Morgen, Sam“, begrüßte sie John Grant, Mitarbeiter ihres Teams.

„Morgen, John“, murmelte sie. „Du hast mir das Leben gerettet.“ Sie hastete eilig aus dem Haus und lief zum Wagen.

John stand verdutzt im Eingang, folgte ihr dann aber.

„Was meinst du damit, ich hätte dir das Leben gerettet?“, fragte er Sam, als er den Wagen anließ und über den Hof zur Straße fuhr.

„Ach“, Sam winkte ab.

„Wieder die Träume?“, fragte er.

Sie nickte. „Chloe weiß noch nichts davon, aber sie stellt diese Fragen… irgendwann kann ich nicht mehr ausweichen. Dein Klingeln an der Tür kam genau zur rechten Zeit.“

Er grinste. „Wenn es noch lange so weiter geht, wirst du es ihr erzählen müssen, Sam. Sie ist deine Tochter…“

„… die sich schon genug Sorgen um ihre Mutter macht“, blockte Sam ab. „Ich will den Fall aufklären, so schnell wie möglich.“

„Bailey will dich sehen“, informierte John sie. „Frank ist schon da, er hatte gestern auch wieder diese Träume…“

 

* * *

 

„Was sehen Sie, Frank?“

Bailey Malone beugte sich ihm entgegen.

Seit sie vor einem Monat diesen neuen Fall aufgenommen hatten, waren sie kein Stück weiter gekommen.

Dr. Sam Waters, seine beste Profilerin, war zu ihm gekommen und erzählte von anhaltenden, merkwürdigen Träumen. Später erfuhr er durch Kontakte, dass noch ein anderer Profiler über ähnliche Bilder berichtete.

Zwei empathisch begabte Ermittler, die über mysteriöse Visionen klagten… das konnte kein Zufall sein!

Bailey hatte sich darum bemüht, beide zusammen zu bringen, damit sie sich austauschen konnten, viel genützt hatte dies jedoch nicht.

Doch Sam, die schon lange zu seinem Team gehörte, wie auch Frank, wollten der Sache nachgehen. Trotz der scheinbar wenig dramatischen Ereignisse in den Visionen spürten beide, dass sich noch mehr hinter all dem verbarg.

Nun saßen Frank, Sam und Bailey wieder einmal beisammen um eventuelle Neuigkeiten zu erörtern.

„Und, Frank, was sehen Sie?“, fragte er erneut.

„Sehen! Sehen, wenn es nur das wäre…“, begann er. „Bäume, Blätter, noch mehr Bäume… Wald?! Keine Ahnung!“

Er hob hilflos die Arme.

„Das Schlimmste an der Sache ist, dass ich diesen Wald bald in meinem Schlafzimmer habe!“

„Noch mehr Tannenzapfen?“, fragte Sam.

„Nein, davon habe ich jetzt offenbar genug. Jetzt sind es Tannennadeln! Mein Haus sieht aus, als wären dort 200 Tannen explodiert! Langsam reicht es…“

Er verdrehte die Augen und seufzte entnervt.

Bailey schüttelte ratlos den Kopf. Dann wandte er sich an Sam.

„Was ist es bei dir? Immer noch Mandeln?“

„Nein, noch schlimmer!“, seufzte Sam. „Jetzt ist es Lebkuchen! Ich hasse Lebkuchen!“

„Lebkuchen?!“

„Ja.“, bestätigte sie. „Kleine Herzchen, Sternchen, Blümchen…“ Sie verzog angeekelt das Gesicht.

„Naja, wenigstens habe ich jemanden, der die Dinger entsorgt.“

Frank und Bailey sahen sie an.

Sie grinste.

Jetzt waren es Frank und Bailey, die einen angeekelten Ausdruck auf dem Gesicht hatten.

Sam sah die beiden unschuldig an.

„Was ist? Chloe isst das Zeug für ihr Leben gern und ich hatte es ja auch nur kurz im Mund. Also, was ist das Problem?!“

 

* * *

 

Irgendwo inmitten vieler Bäume, in einem kleinen Häuschen.

„Verdammt, verdammt! Wo bleiben sie nur?“

Die kleine alte Frau ging unruhig auf und ab. Auf dem Herd brodelte eine herrlich duftende Suppe.

„Seit so langer Zeit warte ich auf sie, doch wann werden sie endlich kommen?“, murmelte die Alte ratlos vor sich hin.

„Wenn ich doch nur ein paar Einkäufe erledigen könnte oder spazieren gehen oder was auch immer… aber ich kann das Haus nicht verlassen!“

Sie schnitt weitere frische Zutaten in die brodelnde Suppe hinein.

„Ach, ach, was mache ich nur? In der Sekunde, in der ich nicht da bin, kommt garantiert eine ganze Schulklasse hier vorbei! Ich muss im Haus bleiben, bis sie kommen.“

 

* * *

 

„So, ab heute schlafen Sie beide bei uns!“, setzte Bailey plötzlich fest.

„Waaass?!“, fragten Frank und Sam völlig entsetzt wie aus einem Mund. „Bei Ihnen?!“

„Nein, um Himmels Willen!“, stellte Bailey sofort klar, nun mindestens genauso entsetzt bei diesem Gedanken. „Nicht bei mir zu Hause! Hier! Hier bei uns in einem unserer tollen, hochkomfortablen Schlaflabore, die garantiert die Privatsphäre von jedem Objekt… ähm… jedem Versuchs… öhm… jeder Person, meine ich natürlich, bewahren, die dort schläft.“

„Oh, ja, natürlich, die tausend Einwegspiegel, die die Kabinen auskleiden, machen das Ganze auch so richtig intim und gemütlich!“, witzelte Frank sarkastisch.

„Man fühlt sich doch immer wieder wie zu Hause und vor allem völlig unbeobachtet…“, viel Sam mit ein.

„Ruhe! Sie machen das, was ich Ihnen sage!“, setzte Bailey nun dem Widerstand ein Ende.

„Sie schlafen in den Labors!“

Dann, nach einer kurzen Pause: „Ach, ja, da alles Labors, bis auf eins momentan zufällig gewartet und damit völlig außer Betrieb sind, werden Sie sich eines teilen müssen.“

Gerade setzten Frank und Sam an, regen Widerspruch zu leisten, doch bevor sie etwas sagen konnten, kam ihnen ihr Chef auch schon zuvor.

„Und ich will jetzt nichts mehr hören, klar?!“

 

* * *

 

[Abraxas] Immer noch zu Hause?

[kleine Hexe] Ja *seufz* ich kann nicht raus :/

[SCwArzERrabE] du wartest schon so lange, meinst du nicht, es ist vielleicht alles umsonst?

[kleine Hexe] Nein, das glaube ich einfach nicht. Das kann ich nicht glauben. Mein Lebensinhalt war es, auf diesen Moment hinzuarbeiten, darauf zu warten. Es kann nicht umsonst gewesen sein.

[Kaetzchen] Wie lange wartest du nun schon? Ca. 100 Jahre?

[kleine Hexe] Nicht circa! Ich kann es auf das Jahr genau bestimmen, wann das Gefühl begonnen hat. Es war im Jahre 1885…

[Abraxas] Und jetzt haben wir 2001. Eine lange Zeit, meine Liebe.

[SCwArzERrabE] zu lang, finde ich. hat sich das gefühl denn verändert im laufe der zeit?

[Kaetzchen] @Abraxas: diese Diskussion hatten wir doch schon so oft!

[kleine Hexe] Ja, die Gefühle sind stärker geworden. Heute bin ich so unruhig wie noch nie...

[kleine Hexe] Oh, ich muss Schluss machen, es hat an der Tür geklopft!

**kleine Hexe verlässt den Chat**

[Abraxas] *LOL* Na endlich!

[Kaetzchen] @Abraxas: findest du nicht, du bist ein bisschen zu sarkastisch?

[Abraxas] nein, finde ich nicht! ich bin realist. im laufe der jahre habe ich so manches gelernt und eines weiß ich, eine vorahnung über so viele jahre hinweg… das geht meist nicht gut.

**kleine Hexe betritt den Chat**

[Kaetzchen] Und? Was war’s?

[kleine Hexe] Nichts, nur der Briefträger, dann der Lebensmittelbote… :(((

[SCwArzERrabE] sorry :/

[Abraxas] tut mir auch leid…

[kleine Hexe] ich geh’ dann mal wieder, die Suppe darf nicht überkochen…

[SCwArzERrabE] ok, c ya

[Kaetzchen] bis denne…

**kleine Hexe verlässt den Chat**

 

Seufzend klappte die alte Frau ihren Laptop zu und widmete sich wieder ihrer Suppe, die noch immer ereignislos vor sich hin brodelte.

„Naja, wenigstens habe ich noch Kontakt zur Außenwelt und sitze hier nicht völlig alleine und vergessen herum.“

 

* * *

 

Im einzigen freien Schlaflabor des FBI.

Es ist Nacht.

Der Raum ist winzig.

Zwei unbequem aussehende Pritschen passen exakt so in den Raum, dass zwischen ihnen nicht der kleinste Spalt Platz ist.

Sam und Frank liegen auf den Betten, jeweils an 10.000 Kabel, Elektroden, Sonden, Monitore und sonstige interessant aussehende, aber völlig nutzlose Apparaturen angeschlossen.

„So, entspannen Sie sich beide. Fühlen Sie sich wie zu Hause und schlafen Sie in Ruhe“, sagte der Labortechniker, als er die Verkabelung der beiden Agenten vollendet hatte.

„Ach, das wird sicher kein Problem sein“, gab Frank zurück. „Zu Hause schließe ich auch immer sämtliche Haushaltsgeräte an meinen Körper an. So wird’s erst richtig gemütlich…“

Der Techniker ließ sich auf keine Diskussion ein, verließ den Raum, schloss die Tür mit einem stumpfen „Gute Nacht und süße Träume“ und schob dann drei Riegel zur Sicherung vor.

„Süße Träume, süße Träume“, grummelte Sam. „Ich befürchte, dass sie allerdings süß sein werden… sehr süß. Igitt!“

„Wollen wir tauschen?“, fragte Frank. „Ich mag keine Tannennadeln mehr. Die stechen immer so im Hals.“

Sam verdrehte die Augen. Wie sollte sie es nur diese Nacht aushalten? Und womöglich noch weitere Nächte?!

„Wagen Sie es nicht, rüber zu rutschen!“, warnte sie ihn dann und schenkte ihm einen grimmigen Blick.

„Keine Angst“, beruhigte er sie. „Ich habe keine Lust, mich in dieser Lage mit Ihnen zu verknoten… äh, ich meine nicht mit Ihnen, sondern mit den Kabeln…“

 

* * *

 

Von außen beobachtete Bailey interessiert das gesamte Geschehen. Diese Einwegspiegel und unzähligen Mikros überall, waren doch wirklich immer wieder praktisch.

Keine Sekunde wollte er sich entgehen lassen.

Aber er schüttelte auch mit dem Kopf.

Wie leichtgläubig doch seine Agenten waren… Wieso sollten grade jetzt sämtliche der insgesamt 130 Schlaflabore außer Betrieb sein?!

Nunja, wenn sie es ihm so abkauften, mussten sie damit leben.

Um so interessanter war es dann für ihn und er grinste.

 

Am nächsten Morgen war das kleine Labor gefüllt mit Tannennadeln, Lebkuchen, Tannenzapfen, Mandeln und Nüssen. Es duftet, wie in einer Weihnachtsbäckerei.

Frank und Sam wurden von ihren Pritschen befreit.

Die Analyse der Traumdaten konnte beginnen.

„Nichts? Das kann doch nicht wahr sein.“ Bailey stöhnte. Die Aufzeichnungen waren nicht zu gebrauchen, es sah so aus, als hätten seine beiden Agenten überhaupt nicht geträumt. Wie war das möglich? Er starrte auf die leeren Analysebögen.

„Sir!“ Ein Techniker kam langsam, mit leicht gesenktem Kopf auf ihn zu. „Sir… das Kabel hier… Sie waren nicht mit den Geräten verbunden.“

„Was?!“ Bailey schlug sich mit der Hand vor die Stirn. Soviel Inkompetenz auf einem Haufen, das konnte doch alles nicht wahr sein.

Vorsichtig drehte er sich zu Frank und Sam um, die hinter ihm gestanden hatten und wollte ihnen das Dilemma erklären. Doch die beiden hatten es bereits mitbekommen und vor Unglauben das Bewusstsein verloren.

Um so besser, dachte sich Bailey, dann muss ich sie nicht überreden, eine weitere Nacht zu bleiben.

„Schnell, der Vakuumsauger!“, rief er aus der Tür des Überwachungsraumes hinaus. „Reinigt den Raum, solange die beiden noch weggetreten sind. Sie bleiben eine weitere Nacht!“

 

Frank öffnete seine Augen, er konnte sich nicht bewegen. Dann erkannte er, wo er war. Wieder im Schlaflabor. Mit Sam.

„Nein!“, rief er entsetzt. „Nicht noch eine Nacht, das halte ich nicht aus!“

„Ssscht“, kam es plötzlich über den Lautsprecher des Raumes. „Keine Sorge, Sie werden keine Probleme haben, einzuschlafen.“

Plötzlich ertönte ein Zischen und der Raum füllte sich mit Gas.

Schlafgas.

Ein unmelodisches „Gute Nacht“ war das letzte, was Frank und Sam hörten.

 

* * *

 

Der Wind rauscht.

Meterhohe Tannen wiegen sich sanft im Rhythmus der Natur.

Insekten schwirren umher.

Grünes Gras.

Tiere des Waldes huschen vorbei, verweilen, folgen weiter ihren Wegen.

Auf der Stelle.

Sie tritt auf der Stelle.

Das Gras ist zertreten.

An dieser Stelle.

Die kleine alte Frau ist unruhig.

 

Lebkuchen.

Berge davon.

Ein Strand aus Lebkuchen.

Kinder bauen Burgen.

Neun Kinder.

Keine Burgen.

Ein Häuschen.

 

Ein schwarzer Rabe fliegt durch die Luft.

Kreischend.

Verliert etwas.

Papier fällt zu Boden.

Eine alte Papyrusrolle.

Entfaltet nun.

Eine Karte.

Der Wald.

Ein X markiert eine Stelle inmitten des Waldes.

 

Spuren im Sand.

Umrisse.

Umrisse einer Karte.

Inmitten steht das Häuschen.

 

Zeitgleich erwachen Frank und Sam aus ihren Träumen.

 

* * *

 

„Scully, los, beeilen Sie sich!“ Mulder fuchtelte wild mit den Armen.

Scully sah verwirrt und leicht genervt von ihren Unterlagen auf, in die sie noch bis eben vertieft gewesen war.

„Mulder, was ist jetzt schon wieder los?“

Er fuchtelte weiterhin mit den Armen. Sie fürchtete fast, er würde gleich abheben, mit dem Kopf an die Decke stoßen, sich mit seiner Krawatte im Ventilator verfangen… aber, nein, er trug heute gar keine Krawatte, also weg mit diesem Gedankenspiel.

„Schnell, ich fahre Sie nach Hause, Sie packen ein paar Sachen und dann geht’s los. Der Flug geht in zwei Stunden!“

Jetzt war sie vollends verwirrt, wovon redete er da bloß?

„Es geht los? Wohin? Und welcher Flug?“

„Kommen Sie, Scully, ich erkläre alles weitere auf der Fahrt zu ihrem Apartment.“

Schon war er aus dem Raum verschwunden, rannte den Gang hinunter zum Fahrstuhl.

Stöhnend und mit rollenden Augen folgte Scully ihrem Partner aus dem Gebäude.

 

Mulder fuhr Scully zu ihrer Wohnung und erklärte ihr nicht viel auf dem Weg dort hin. Das einzige, was er sagte, war, dass sie ihre Sachen packen müsse und es einen neuen Fall gab. Einzelheiten wollte er erst vor Ort rausrücken.

Das Ganze kam ihr nach all diesen Jahren mit ihm nicht mehr ganz so sonderbar vor, und so ging sie tatsächlich darauf ein.

 

In ihrer Wohnung angekommen fragte sie dann: „Was erwartet mich, Mulder? Sommer, Sonne oder Regen? Vielleicht Eis und Schnee?“

Ihr Partner schenkte ihr ein verschmitztes Lächeln.

„Packen Sie nichts ein, was all zu förmlich ist, Scully. Stellen Sie sich vor, wir würden zum Camping fahren…“

„Wir fahren Campen?!“

„Nein, nein, “ beruhigte er sie schnell. „Aber tun Sie so also ob, und packen die entsprechende Kleidung ein.“

„Mulder, wenn wir Campen fahren können Sie was erleben, ich warne Sie!“

Er schwieg und grinste nur…

Was führte er im Schilde… Ich bin verrückt, wenn ich mich darauf einlasse, dachte Scully. Ach, was soll’s…

„Brauchen wir einen Gaskocher oder haben Sie den schon eingepackt?“, witzelte sie.

„Scully, wo wir hinfahren, ist es etwas komfortabler…“

„Mulder, wie wäre es, wenn Sie mich aufklären würden. Was, wenn ich jetzt sage, ich komme nicht mit und rühre mich so lange nicht von der Stelle, bis Sie mir gesagt haben, um was es geht?“

Sie schaute ihn fragend, doch auch gespannt an. Was würde er nun sagen?

„Nun, Scully, ich würde Ihnen etwas zu trinken holen und noch einmal über alles reden, um Sie zu überzeugen, mitzukommen. Doch in das Getränk hätte ich etwas K.O.-Pulver eingerührt und ehe Sie sich versehen, wären Sie an unserem Reiseziel.“

Jetzt war sie sprachlos.

„Ähm… was?!“, brachte sie schließlich heraus? „Sie würden mich betäuben?“

„Ja, also kommen Sie lieber freiwillig mit.“

 

* * *

 

„Piper, Prue, seit ihr fertig? Der Flug geht gleich!“

Phoebe stand ungeduldig in der Tür, ihren Rucksack auf dem Rücken, bereit für die Abfahrt.

Sie hatten nur noch 40 Minuten Zeit zum Flughafen zu kommen, dort einzuchecken und das Flugzeug zu besteigen.

Von ihren Schwestern war weit und breit nichts zu sehen.

„Prue! Piper!“, rief sie, nun etwas ärgerlich.

Wie auf’s Kommando kamen die beiden eilig herbeigelaufen, ebenfalls mit Rucksäcken bepackt.

„Fertig“, riefen sie aus einem Munde.

„Ich dachte schon, ihr würdet gar nicht mehr kommen… Also, alles klar, kann’s losgehen?“

 

Die drei sprangen ins Auto und los ging die Fahrt zum Flughafen.

„Haben wir alles dabei?“, fragte Phoebe und sah sich rasch im Wagen um.

„Ja, haben wir“, versicherte Piper. „Alles, was wir brauchen. Ich hoffe nur, dass uns niemand begegnet“, fügte sie zu und grinste bei dem Gedanken.

„Ach, wir sagen einfach, wir würden einen Dokumentarfilm drehen“, schlug Prue vor, die am Steuer des Wagens saß.

„Ohne Kamera? Nicht sehr glaubwürdig, oder?“, gab Piper zu bedenken.

„Ach, wer sollte und da schon begegnen, sei mal realistisch…“, gab Prue zurück.

„Okay, da hast du auch wieder Recht“, stimmt Phoebe zu. „Dorthin verirrt sich bestimmt niemand freiwillig.“

 

* * *

 

„Also gut, was schlagen Sie vor, Frank?“

Bailey war ratlos. So lange hatte er bisher an keinem Fall gearbeitet, ohne jegliche Spur von Resultaten… ohne Spur von brauchbaren Resultaten, besser gesagt.

Nun saßen ihm die beiden Profiler gegenüber und hatten offenbar einen Plan.

Frank und Sam sahen sich kurz an, waren sich offenbar einig.

Bailey zog die Augenbrauen hoch. Das war neu, sie sind waren einig, unglaublich. Er war gespannt.

„Nun“, begann Frank. „Wir brauchen eine kleine Maschine, ein Flugzeug. Damit fliegen wir zum Herkunftsort unserer Visionen und klären den Fall vor Ort.“

„Und… wo ist dieser Herkunftsort?“ Bailey rückte in seinem Stuhl näher an den Schreibtisch heran, an dem er saß und stützte sich nun mit den Ellenbogen auf der Tischplatte ab.

„Bisher hatten wir nicht den geringsten Hinweis auf die Umgebung? Hatten Sie beide neue, aufschlussreichere Visionen, von denen ich noch nichts weiß?“

Sam räusperte sich.

„Nein, die hat es nicht gegeben und genau darin liegt der Grund, warum wir eine kleine Maschine brauchen. Nur für uns…“

„Nur für Sie?! Warum das?“ Bailey war nun etwas verwirrt, was kam nun schon wieder auf ihn zu…

„Der Pilot muss uns nur über sämtliche Staaten fliegen und wir spüren dann bestimmt, wenn wir uns über dem richtigen befinden. Dort soll er uns dann absetzen und alles Weitere regeln wir dann von dort aus.“

Frank und Sam sahen Bailey erwartungsvoll an.

Bailey glaubte, sich verhört zu haben. Das war doch nicht ihr Ernst! Oder doch? Er sah in die Gesichter. Von einem zum anderen. Und wieder zurück. Sah in ihre Augen. Es war ihr Ernst!

Bailey verdrehte die Augen und ließ seinen Kopf auf die Tischplatte fallen.

 

Einige Minuten später.

Er hob seinen Kopf vorsichtig ein paar Zentimeter vom Tisch. Gerade so weit, dass er sehen konnte, dass Frank und Sam noch immer vor seinem Schreibtisch saßen und warteten. Sie warteten auf eine Antwort.

Loswerden. Er musste sie loswerden. Sofort.

„Also gut! Sie kriegen Ihren Piloten, eine kleine Maschine und soviel Budget für Treibstoff wie Sie brauchen um das Ding in der Luft zu halten.“

Er sprang auf und beugte sich zu den beiden über den Tisch, die in ihren Stühlen nun weit nach hinten auswichen… und damit synchron nach hinten umkippten.

„Aber ich warne Sie. Sie beide! Wenn Sie ohne Lösung des Falls zurückkommen wollen… versuchen Sie es gar nicht erst! Und jetzt raus hier!“

 

* * *

 

„Mulder, wann sind wir da?“

Nun war es Mulder, der leicht genervt zu seiner Partnerin rübersah.

„Scully, Sie haben diese Frage bereits vor zwei Minuten gestellt. Und davor ebenfalls vor zwei Minuten! Davor vor fünf, zwei, einer, drei und vier Minuten… Soll ich noch mehr aufzählen? Wir sind da, wenn wir landen, Scully!“

„Ähm…“, Scully räusperte sich. „Wann landen wir?“

Mulder ließ entnervt seinen Kopf in den Nacken fallen, die Augen verdreht und den Mund leicht geöffnet.

„Ich werde Ihnen nicht verraten, wohin unsere Reise geht, Scully. Da können Sie nerven, so viel Sie wollen.“

 

* * *

 

„Okay, da sind wir!“

Piper und ihre beiden Schwestern sahen sich um.

„Es ist schön hier“, bemerkt Prue. „So ruhig.“

„Ich sagte ja, es wäre der perfekte Platz, um unsere Fähigkeiten etwas zu trainieren“, meinte Phoebe.

„Ja, da gebe ich dir recht, es ist herrlich hier. Ich mag die Natur.“

Piper warf ihren Rucksack ab.

„Also gut“, begann Phoebe. „Dann lasst uns mal nach einem geeigneten Plätzchen suchen, an dem wir beginnen können.“

Die drei packten ihre Sachen und gingen in den Wald hinein.

„Hey, seht mal da oben“, rief Phoebe. „Ein Hochsitz.“

„Ich werde mal sehen, wie die Aussicht von dort oben ist.“ Prue machte sich daran, an der hölzernen Konstruktion empor zu klettern.

„Hi, Prue“, wurde sie von Piper begrüßt, als sie schließlich oben ankam.

„Piper, was machst du denn hier oben?“

„Wir haben den Aufzug benutzt“, erklärte Piper grinsend.

„Hey, kommt mal rüber“, rief Phoebe, die inzwischen den Hochsitz etwas unter die Lupe genommen hatte. „Hier kann man Passfotos machen!“

Und tatsächlich, die kleine Kabine war ein Fotoautomat.

„Hat mal einer etwas Kleingeld?“, fragte Phoebe und setzte sich in die Kammer.

Piper warf die Münzen ein und gesellte sich zu ihrer Schwester. Das wollte Prue sich auch nicht entgehen lassen und quetschte sich auch noch mit hinein und schloss die Tür.

„Hey, Vorsicht!“, war es von Drinnen zu vernehmen.

„Stopp, ich bin noch nicht mit drauf! Ich bin noch nicht drauf!“

„Ein Stück runter noch!“

„Hey, wer wackelt denn hier sooooo… aahh!“

Der Turm war durch das Chaos in der Kabine ins Schwanken geraten und kippte nun mit lautem Ächzen dem Waldboden entgegen, wo er krachend aufschlug und zerbarst.

Die drei Schwestern saßen inmitten der Trümmer.

„Hui, das war was“, murmelte Piper.

„Aber die Fotos sind gut geworden“, grinste Phoebe und hielt den anderen stolz den Bilderstreifen entgegen.

 

* * *

 

„Nein, ich spüre nichts. Sie?“ Frank sah fragend zu Sam hinüber. Sie schüttelte den Kopf.

Also weiter zum nächsten Staat. Irgendwann würden sie den richtigen schon finden…

 

Fünf Stunden später. Frank und Sam hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben, da wurden sie beide plötzlich zeitgleich von einer heftigen Vision erfasst, die sie in ihre Bordsitze zurückpresste.

Tannen, Wind, so viel Wind, Lebkuchen, ein Kochtopf, alles auf einmal.

„Hier ist es!“, riefen sie beide dem Piloten der kleinen Maschine zu und bedeuteten ihm, einen Landeplatz zu suchen.

 

„Danke für Ihre Mühen, wir melden uns dann, falls wir einen Abholdienst brauchen.“ Frank klopfte dem Piloten freundschaftlich auf die Schulter. Dieser verzog jedoch keine Miene und war nur darauf bedacht, möglichst schnell von diesen beiden Verrückten loszukommen, die ihn mehrmals über sämtliche Staaten hatten fliegen lassen.

 

„Nun gut, das hier scheint tatsächlich der richtige Ort zu sein. Wie wollen wir vorgehen?“

„Ich schlage vor, dass wir uns zunächst eine Unterkunft suchen“, schlug Sam vor.

„Dieser Flug hat mich doch etwas mehr angestrengt als gedacht.“

„In Ordnung“, stimmte Frank zu. „Folgen wir doch einfach mal diesem Pfad dort.“

Er zeigte auf einen Fußweg, der direkt in den dichten Wald hinein führte.

Ihr Pilot hatte sie auf einer langgezogenen Lichtung abgesetzt. Mitten im Nirgendwo.

Sie packten ihre Sachen zusammen und setzten sich in Bewegung.

 

* * *

 

„Hey, der Platz hier ist gut.“ Prue nahm ihren Rucksack ab und nahm einen kräftigen Schluck aus ihrer Wasserflasche.

Sie standen auf einer kleinen hellen Lichtung. Inmitten befand sich ein großer flacher Fels.

„Toll, einen Altar gibt es auch schon“, freute sich Phoebe.

„Dann können wir ja gleich anfangen, ein paar Dinge zu sammeln um die alten Hexenrezepte auszuprobieren, die uns Eva im Jahr 1670 mitgegeben hat“, meinte Piper.

„Ja“, stimmte Phoebe zu. „Das Wissen von damals ist viel zu wertvoll, um es vollkommen in Vergessenheit geraten zu lassen.“

„Na, dann los“, stimmte Prue mit ein. „Wir brauchen ein paar Beeren und Früchte, Kräuter, Blätter, einfach alles, was nützlich sein könnte.“

„Halt!“, rief Phoebe. „Wie wäre es, wenn wir uns erst einmal umziehen und passend kleiden würden?“

Die anderen beiden gaben ihr recht und so packten sie ihre Ausrüstung aus. Reisigbesen, schwarze Spitzhüte und Kleider aus dem 17. Jahrhundert, die sie damals von ihrer kleinen Zeitreise mitgebracht hatten. Schnell waren sie umgezogen, hatten die Hüte aufgesetzt und den Besen geschickt auf dem Rücken befestigt, wo er am wenigsten störte.

„Jetzt sehen wir wie richtige Hexen aus“, freute sich Piper. „Dann lasst uns mal ein paar Dinge sammeln gehen.“

 

* * *

 

„Mulder, wo sind wir hier und was machen wir hier?“

Scully sah sich in der kleinen, aber zugegebenermaßen recht gemütlichen Blockhütte um.

Nachdem sie gelandet waren, war Mulder noch immer nicht bereit gewesen zu erklären, was das Ganze nun auf sich hatte. Nicht einmal, als sie im Taxi saßen. Mulder hatte dem Fahren schlichtweg einen Zettel überreicht und ihn gebeten, nichts über ihr Fahrziel herauszurücken.

Dann wurden sie abgesetzt und das Taxi war gefahren.

Nun war sie alleine hier oben. Mitten im Wald. In dieser Blockhütte. Allein, mit Mulder.

„Mulder! Würden Sie mir jetzt bitte erklären, was das Ganze soll?“

„Aber natürlich, Scully“, säuselte er. „Wir machen hier Urlaub.“

Sie sagte kein Wort. Ich habe mich verhört, versuchte sie sich stattdessen einzureden. Abwarten, gleich nennt er mir den wahren Grund unseres Hierseins.

Doch es kam nichts…

„Scully, was halten Sie nun davon? Sie sagen ja gar nichts…“

„Mulder“, brachte sie schließlich heraus. „Das kann doch jetzt nicht ihr Ernst sein! Ich meine… Urlaub?!“

„Ja, Scully, warum denn nicht?“ Er strahlte sie an, breitete die Arme aus, als wollte er sie umarmen.

Sie ging in Abwehrhaltung.

„Scully, das ist doch der perfekte Ort um abzuschalten. Hier gibt es nichts! Weit und breit nichts!“

„Nichts?!“

„Ganz genau! Keine Zivilisation, kein Fernsehen, kein Radio, kein Auto, kein Kontakt zur Außenwelt…“

„Oh, warten Sie Mulder! Das kann doch nur ein schlechter Scherz sein! Ich habe immer noch mein Handy und werde damit jetzt…“, sie kramte in ihrer Aktentasche danach. Verwirrt suchte sie weiter, konnte es nicht finden. Sie lehrte den Inhalt der Tasche auf einem der beiden Betten aus. Nichts. Kein Mobiltelefon.

„Mulder!“

„Keine Sorge, Scully, Ihrem Handy geht es gut. Es musste nur zu Hause bleiben… Ich habe es am Flughafen aus Ihrer Tasche genommen, als Sie grade auf der Toilette waren. Es müsste bereits wieder bei Ihnen zu Hause angekommen sein.“

Scully ließ sich aufs Bett fallen, sprang jedoch gleich wieder auf, um die Akten nicht zu zerknittern.

Das konnte doch alles nicht wahr sein.

„Mulder, Sie sind verrückt“, seufzte sie nur. Was anderes fiel ihr nicht mehr ein. Sie hatte aufgegeben.

„Vielleicht, aber ich handle nicht eigenmächtig“, meinte ihr Partner schließlich.

„Ach nein?“

„Nun, Ihnen gegenüber vielleicht, aber der Urlaub ist abgeklärt mit Skinner, keine Sorge. Er und ich waren uns einig, dass Sie etwas Erholung gebrauchen könnten.“

„Ach?“, sie war in der Tat etwas erstaunt, dass Skinner ebenfalls dahinter steckte.

„Und da Sie ja von sich aus so gut wie niemals Urlaub nehmen, mussten wir Sie eben zu Ihrem Glück zwingen, ganz einfach. Also, Scully, es gibt nun nichts mehr, was Sie daran ändern könnten, genießen Sie Ihren Aufenthalt. In zwei Wochen kommt das Taxi zurück und holt uns hier an dieser Stelle wieder ab.“

„Zwei Wochen?!“

 

* * *

 

„Hey, Frank, sehen Sie mal da!“, Sam war stehen geblieben und deutete auf eine riesige, Neonreklame, die ziemlich verloren und fehl am Platze in den Bäumen hing.

„Wenn wir dem Pfad hier rechts folgen, kommen wir in 4 Kilometern an ein Waldhotel.“ Sam wartete gar nicht erst eine Antwort oder gar Zustimmung von Frank ab, sondern machte sich sogleich auf den Weg.

„Sam, warten Sie“, rief dieser ihr nun hinterher.

Sam verdrehte die Augen. Was hatte er nun wieder einzuwenden? Das war nun schon die sechse Weggabelung, an der er unbedingt in entgegen gesetzter Richtung zu ihrer gewählten laufen musste. Dieser Kerl hatte eine zwanghafte Neigung zur Besserwisserei…

Sie drehte sich um, jedoch ohne den Rucksack abzusetzen. Sie ging auch nicht wieder zurück, sondern blieb auf der Stelle stehen.

„Was ist denn, Frank?“

Frank blickte wie gebannt auf die riesige Neonreklame. Er bedeutete ihr mit einer Handbewegung, sie sich ebenfalls noch einmal anzusehen.

Sam blickte wieder an den Bäumen empor… und konnte ihren Augen nicht trauen.

„Das Häuschen…“, flüsterte sie.

Auf der Reklametafel wurde in bunt blinkenden Lichtern ein kleines Häuschen abgebildet. Es stand einsam inmitten des Waldes. Ein gelber Pfeil blinkte unentwegt und wies die Richtung. Nach rechts. Ha, dachte Sam, nach rechts, ich hatte recht.

„Frank, glauben Sie auch, dass dies das Häuschen aus unseren Visionen ist?“

„Mir würde kein Grund einfallen, warum es das nicht sein sollte… Also rechts rum. Kommen Sie, Sam.“

Frank packte seine Sachen und stapfte an Sam vorbei, die ihm verdutzt hinterher sah.

Kommen Sie?, dachte sie. Ich wollte doch schon die ganze Zeit hier langgehen!

 

* * *

 

„Phoebe?“, Piper blickte suchend auf der Lichtung umher. „Phoebe, wo bist du?“

„Ich bin hier oben“, kam es plötzlich aus den Bäumen.

Piper sah auf. Und tatsächlich. Ihre Schwester kletterte in den Wipfeln eines Baumes umher.

„Phoebe, was machst du da?“

„Eigentlich gar nichts“, kam es zurück. „Ich habe ein wenig an meiner Levitation gearbeitet mit Hilfe ein paar der alten Hausmittel. Ist wohl etwas schief gegangen und so bin ich hier oben gelandet. Ich konnte mich grad noch an den Ästen festhalten, sonst wäre ich wohl weitaus höher hinaus gekommen.“

Piper verdrehte die Augen.

„Und wieso kommst du jetzt nicht wieder runter?“

„Das wollte ich ja, aber dann habe ich hier diese Beeren entdeckt“

„Beeren? Phoebe, du sitzt auf einem Baum und nicht in einem übergroßen Strauch!“

„Die Dinger wachsen hier trotzdem, Piper. Ein Busch muss sich hierhin versäht haben, er wächst jedenfalls auf einem der Äste hier.“

Piper sah zu, wie ihre Schwester sich auf dem Ast langsam fortbewegte. Stück für Stück tastete sie sich vorwärts, die Beine fest um den Ast geschlungen.

„Sei vorsichtig, Phoebe“, rief Piper ihr zu. „Der Ast sieht nicht sehr stabil aus.“

„Keine Panik, bin ja gleich wieder unt… ahhh!“

Mit einem scharfen Knacken war der Ast abgebrochen und rauschte mit Phoebe durch das Geäst.

Piper überlegte schnell, das Geschehen einzufrieren, jedoch würde das Phoebe nicht vorm Herunterfallen bewahren. Also trat sie nur schnell zur Seite.

Mit einem dumpfen Poltern landete Phoebe vor ihr auf dem Boden.

„Autsch“, Phoebe rieb sich das Hinterteil. Dann hatte sie etwas entdeckt.

„Hey, sieh mal!“ Sie krabbelte den Ast entlang, der ebenfalls auf dem Boden lag, bis hin zu einem mittelgroßen Busch, der auf ihm wuchs. „Ich hab’s doch gesagt, dass hier ein Busch wächst, Piper.“

Sie begann, die Beeren abzupflücken.

„Okay, du hattest recht, aber…“, Piper sah sich um. „Diese Beeren wachsen hier überall, Phoebe. Du hättest dir das eben auch ersparen können.“

Phoebe sah auf. Rings um die Lichtung wuchsen tatsächlich unzählige Büsche dieser Art, die alle sehr viele Beeren trugen.

„Ups.“

 

* * *

 

Mulder stolperte durch die Tür, den Arm voller Gehölz. Er warf das Ganze in die Mitte des Raumes, setzte sich dazu und fing an, darin herum zu kramen.

Scully hatte das Geschehen wortlos mit angesehen, doch nun war sie doch ein wenig neugierig, was ihr Partner mit den Ästchen vorhatte.

„Mulder, was machen Sie da?“, fragte sie wieder einmal. „Und was sind das für Hölzer?“

„Weiden, Scully, das sind Weidenhölzer. Ich werde daraus einen Weidenkorb flechten.“

Scully konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.

„Sie?!“

„Ja, warum denn nicht? Lassen Sie mich nur machen.“

Mulder machte unbeirrt weiter. Scully setzte sich aufs Bett, dass sie inzwischen von ihren Akten befreit hatte. Dieses Schauspiel wollte sie sich nun wirklich nicht entgehen lassen.

Bedächtig ordnete Mulder die Hölzer zunächst nach ihrer Länge, dann schnitt er überstehende und verzweigende Ästchen weg. Mit seinem Taschenmesser befreite er schließlich die Hölzer von ihrer Rinde, um sie geschmeidiger, biegsamer zu machen, wie er sagte.

Und dann begann er tatsächlich damit, die Weiden ineinander zu verflechten.

 

Nach drei Stunden. Scully hatte zwischendurch Hunger bekommen und sich schnell ein aufwendiges drei Gänge Menü zubereitet. Nachdem sie es genüsslich und ohne Hast verzehrt und danach noch den Abwasch erledigt hatte, hatte sie sich wieder auf ihre Bett begeben. Einige Male war sie eingenickt, doch als sie diesmal die Augen wieder aufschlug, sah das Ganze tatsächlich wie ein Korb aus.

„Fehlt nur noch ein schöner Griff“, murmelte Mulder, völlig in seiner Arbeit versunken.

Er nahm die letzten vier langen Weidenhölzer, verflocht sie zu einer Art Kordel und befestigte sie mit ein paar kürzeren Hölzern und Rindenspänen am Korb.

„Taa-daa“, rief Mulder aus und hielt seiner Partnerin stolz sein Werk entgegen.

„Ich hätte nicht gedacht, dass Sie das schaffen, Mulder“, gab Scully zu. „Aber, was haben Sie nun damit vor?“

„Nicht ich, Scully. Wir!“

Scully ahnte Böses. Sie wagte es kaum zu fragen, doch sie tat es dennoch. „Und was haben WIR nun bitte damit vor?“

„Wir, Scully, werden damit nun unsere neuen Nachbarn begrüßen! Mit Brot und Salz!“

„Waass?! Aber, aber Sie sagten doch, außer uns wäre hier weit und breit niemand!“

„Dann werden wir eben so lange suchen, bis wir jemanden finden, der hier lebt, ganz einfach!“

„Mulder, nein!“

 

* * *

 

Sam durchbrach mit den Händen ein Dornendickicht und legte den Weg und die Sicht auf ein kleines Häuschen frei.

Die beiden traten auf die kleine Lichtung und waren sprachlos.

Das war exakt das Häuschen, das sie in ihren Träumen heimgesucht hatte.

„Frank“, brachte Sam atemlos heraus. „Es ist komplett mit Lebkuchen verkleidet!“

„Nicht zu glauben“, murmelte dieser. „Die Fugen und Verzierungen scheinen aus Zuckerguss zu sein.“ Er schnupperte in der Luft umher. „Es riecht jedenfalls danach.“

„Hhm, das würde auch die Insektenschwärme erklären“, stellte Sam fest, und versuchte verzweifelt einige verirrte Bienen, Wespen und Fliegen zu verscheuchen, die ihr um den Kopf summten.

„Und die Vögel erst“, bemerkte Frank. „Sehen Sie nur, Sam. Sie fressen das Haus noch auf.“ Frank deutete auf einen riesigen Schwarm kleiner Vögel, die sich soeben auf dem Haus niedergelassen hatten und nun fleißig dabei waren, am Lebkuchen zu picken.

Plötzlich erfüllte ein dumpfes Summen die Luft.

Frank und Sam sahen sich fragend um.

„Was ist das, Frank?“

„Ich habe keine Ahnung, aber die Luft fühlt sich an, als… als wäre sie elektrisch aufgeladen.“

Mit diesen Worten erglühte das Haus auch schon in blauem Licht und ein lauter Knall ertönte.

Eine Energiewelle ging vom Haus aus und verebbte ringsum im Wald. Danach folgte Stille. Alle Vögel und Insekten, die sich auf dem Häuschen niedergelassen waren, waren verschwunden. Entweder waren sie gebraten worden, explodiert oder hatten sich noch einmal rechtzeitig in Sicherheit bringen können.

Frank und Sam hatten die Energiewelle weitestgehend unbeschadet überstanden. Nur ihre Haare standen ihnen zu Berge, wortwörtlich.

„Meine Güte“, murmelte Frank. „Das Haus ist eine einzige, riesige Insektenfalle…“

„Nicht nur für Insekten“, korrigierte Sam und ihr Blick viel auf einige kleine Vogelleichen, die rings um das Haus verstreut lagen.

„Dem Baum dort geht es auch nicht besser“, fügte sie hinzu und betrachtete den einzigen Baum auf der Lichtung. Er lehnte an das Häuschen an und man konnte beim besten Willen nicht sagen, ob das Häuschen nun an den Baum gebaut, oder der Baum an das Häuschen gewachsen war. Jedoch würde er niemals weiterwachsen, denn er war morsch und abgestorben. Tot. Die Elektroschocks hatten auch das letzte bisschen Leben in ihm vernichtet.

„Also los, gehen wir rüber und sehen wir nach, wer in diesen Häuschen wohnt.“ Frank wandte sich zum Gehen, doch Sam konnte ihn grade noch zurückhalten.

„Warten Sie!“, rief sie empört aus. „Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich so…“ sie zeigte an sich hinunter, dann auf ihre Haare, die teilweise noch immer elektrisiert vom Kopf abstanden „ dass ich so mit den Ermittlungen fortfahre!“

Frank sah nun auch an sich selbst hinunter, ertastete seine Frisur und stellte fest, dass Sam Recht hatte.

„Also gut“, willigte er ein. „Nehmen wir uns ein Zimmer in dieser Hotel-/Motel-Anlage dort drüben.“ Er deutete auf einen riesigen Gebäudekomplex, der etwas hinter dem kleinen Lebkuchenhäuschen erbaut worden war. Unentwegt fuhren Fahrzeuge vom oder auf den Parkplatz und eine Vielzahl von Leuten tummelte sich in der Parkanlage.

Sam nickte erleichtert und so gingen sie gemeinsam zur Rezeption.

 

* * *

 

Unruhig lief die alte Frau in ihrem Haus auf und ab. Sie hatte den ganzen Tag schon dieses Kribbeln im Bauch gehabt. Immer wieder trat sie ans Fenster und blickte hinaus, doch sie konnte niemanden entdecken. Tausende von Insekten verwährten ihr den Blick nach draußen.

„Diese dummen Insekten, werden sie es denn niemals lernen?“, murmelte sie, während sie einen riesigen roten Knopf betätigte, auf dem ein Starkstromsymbol abgebildet war.

Ein dumpfes Knallen war im Haus zu hören, dann Stille. Ein zufriedenes Lächeln hellte ihr faltiges Gesicht auf. Erneut trat sie an eines der Fenster und sah hinaus. Sie hatte nun freie Sicht, doch außer den Bäumen sah sie auf dieser Seite des Hauses nichts weiter. Sie seufzte tief.

„Nun ja, irgendwann werden sie schon kommen“, versuchte sie sich wieder einmal selbst zu überzeugen. „Und ich spüre, es dauert nicht mehr lange.“

 

* * *

 

„Mulder“, stöhnte Scully und stolperte fast über ihre eigenen Füße als sie versuchte mit ihrem Partner Schritt zu halten.

„Kommen Sie, Scully!“, rief er ihr zu. „Es kann nicht mehr weit sein.“

Seit fünf Stunden liefen sie nun schon ziellos durch den Wald. Mulder und seine wahnwitzigen Ideen! Wieso suchte er mitten im Wald, mitten im Nichts mit einem Weidenkorb bewaffnet nach den nächsten Nachbarn?! Was wollte er ihr damit beweisen? Ihr reichte es nun völlig. Sie blieb stehen, sah sich schnell um, erblickte einen einladend wirkenden flachen Stein, schleppte sich mit letzten Kräften dorthin und setzte sich. Sitzen. Was für eine Wohltat für ihre gequälten Füße. Sie würde nie wieder aufstehen.

„Mulder, es reicht!“, rief sie in den Wald hinein, nur um sich selbst nicht vorwerfen zu können, sie hätte ihrem Partner nicht bescheid gesagt, falls er nicht in Kürze wieder auftauchen und zurückkehren sollte.

Doch er tauchte wieder auf. Kaum hatte sie ihm diese letzten Worte zugerufen kam er zurückgelaufen, stellte sich mit verschränkten Armen vor sie und sah sie fragend, ja fast vorwurfsvoll an. In einer Ellenbeuge baumelte noch immer der mittlerweile still verhasste Weidenkorb.

„Scully, nun machen Sie doch nicht einfach schlapp…“

„Einfach schlapp?!“ Scully konnte es nicht fassen. „Mulder, seit über fünf Stunden wandern wir in Ihrem Eiltempo durch den Wald, ohne Pause. Was für mich bedeutet, dass ich mindestens doppelt so viele Schritte gemacht habe wie Sie! Und jetzt…“, sie verschränkte nun auch ihre Arme vor der Brust „bin ich es, die das Tempo vorgibt. Und ich sage, wir machen eine Pause.“

Mulder wollte grade zum Protest ansetzen, doch Scullys Blick ließ ihn zurücktreten. Diesmal meinte sie es ernst. Todernst. Und so hielt er sich zurück und fügte sich den Wünschen seiner Partnerin. Er sah in den Himmel.

„Okay, Scully, die Sonne geht bald unter. Was halten Sie davon, wenn wir hier in der Nähe unser Nachtlager aufschlagen?“

„Unser Nachtlager?!“ Scully ahnte Böses. „Sie wollen damit aber nicht gleichzeitig ausdrücken, dass Sie morgen die Suche fortsetzen wollen, oder? Sie meinen doch eher, dass Sie für heute ebenfalls zu müde sind und sich ausruhen wollen, bevor wir dann morgen den Rückzug antreten?“

Mulder sah Scully an, zeigte dann seine Zähne und versuchte seine Lippen wie ein Grinsen darum zu formen, doch es missglückte ihm etwas.

Scully schloss die Augen, das durfte doch alles nicht wahr sein.

„Mulder, wir werden morgen nicht weiter nach diesen nichtvorhandenen Nachbarn suchen!“, rief sie schließlich aus. „Ich dachte, wir würden hier Urlaub machen?!“

„Das tun wir doch auch Scully, keine Sorge…“

„Haben Sie wenigstens Zelte dabei?“, fragte sie und ihre Stimme war nicht mehr als ein erschöpftes Flüstern.

„Einzahl, Scully, Einzahl… Ich schleppe doch nicht unnötigen Ballast mit mir herum.“

„Um Himmels Willen, Mulder, und was ist mit diesem dämlichen Weidenkorb? Wie würden Sie den bezeichnen?“

„Scully…“ Mulder hielt im Satz inne, denn Scully bedeutete ihm mit einer einzigen Geste ihrer Hand, still zu sein. Sie wollte nichts mehr hören. Sie raffte sich auf für die letzten Worte dieses Tages.

„Bauen Sie einfach nur das Zelt auf, Mulder. Lassen Sie uns nun einen geeigneten Platz dafür suchen.“ Mit diesen Worten sprang sie auf, verzerrte das Gesicht als stechende Schmerzen aus ihren Füßen den Körper hinaufschossen und machte sich auf den Weg.“

Mulder folgte ihr wortlos.

 

* * *

 

„Phoebe, hast du die Pilze?“, fragte Piper während sie einige Kräuter aus dem Erdboden grub, darauf bedacht, die Wurzeln nicht zu verletzen.

„Ja, ich habe einige schöne Exemplare gefunden“, meldete sich Phoebe zurück. „Ich habe mal einen probiert, der schmeckte nicht schlecht. Plötzlich hat dann alles, was ich angesehen habe, eine andere Farbe bekommen. Das war ziemlich cool.“

„Äh, was?!“ Piper sah ihre Schwester leicht entsetzt an.

Prue kam herbeigelaufen. „Hey, ihr beiden. Ich habe nun von sämtlichen Beerensorten, die ich finden konnte ein paar Duzend gesammelt.“ Sie klopfte mit der Hand auf ihr Körbchen, das sie dabei hatte.

„Wie wäre es, wenn wir gleich unser Zelt aufbauen?“ Phoebe sah sich um. „Es dämmert schon.“

„Okay, wir nehmen die nächste Lichtung, die wir finden“, stimmte Prue zu und auch Piper war einverstanden.

„Dort drüben ist eine freie Stelle“, meinte Phoebe und zeigte in eine Richtung. „Ich habe sie gefunden, als ich dort nach Pilzen gesucht hatte.“

„Na, dann nichts wie hin“, rief Piper aus.

Die drei setzten sich in Bewegung und erreichten nach wenigen Minuten die kleine Lichtung.

Sie packten das Zelt aus und machten sich an die Odyssee es aufzubauen.

 

Die Sonne war seit einer Stunde hinter dem Horizont verschwunden, Glühwürmchen schwirrten durch die milde Waldluft und schließlich war das Zelt aufgebaut.

„Hey, wir werden immer besser“, freute sich Prue. „Oh, wartet mal, das Zelt steht ja auf dem Kopf!“

Und tatsächlich… obwohl physikalisch und auch baulich ziemlich unmöglich, stand das Zelt tatsächlich verkehrt herum auf dem Waldboden.

„Oh“, entfuhr es Piper und Phoebe zeitgleich.

„Naja, dann auf ein Neues“, murmelte Prue.

Als sie es dann endlich geschafft hatten, dass Zelt so aufzubauen, wie jeder andere es ebenfalls tun würde, machten sich Piper und Phoebe daran, ein paar kleine Steine und Holz zu sammeln um eine sichere Feuerstelle und ein Lagerfeuer zu errichten.

 

Das Feuer knisterte schon ein Weilchen, da hörten die drei plötzlich Stimmen aus dem Wald.

„Ssscht“, zischte Phoebe und deutete auf zwei wankende Lichtstrahlen.

„Taschenlampen“, flüstere Prue.

„Schnell, das Feuer aus!“, Phoebe war schon drauf und dran Erde über die Flammen zu schütten, doch Piper konnte sie grade noch davon abhalten.

„Meinst du nicht, dass es dafür etwas zu spät ist? Wenn wir jetzt schon ihre Stimmen hören und die Strahlen der Taschenlampen sehen können, dann haben sie unser Feuer schon längst bemerkt.“

„Oh, das stimmt allerdings“, gab Phoebe zu und setzte sich wieder neben das Feuer.

„Warten wir dann mal ab, wer da so zu Besuch kommt“, murmelte Prue. „Es ist ja nicht so, dass wir hier vollkommen schutzlos wären.“

„Ihr vielleicht nicht“, grummelte Phoebe.

„Irgendwann wirst du sicher auch eine aktive Kraft bekommen, Phoebe“, versuchte Piper ihre Schwester etwas aufzumuntern. „Unsere Kräfte wachsen doch fast von Tag zu Tag…“

„Nur, dass meine immer passiv bleiben.“ Phoebe war sauer. Sie wollte auch endlich eine aktive Kraft haben, mit der sie sich gegen Feinde zur Wehr setzen konnte. Ihre Visionen und die Gabe der Levitation brachten in der Tat nicht viel, wenn es um Selbstverteidigung ging. Ach, was soll’s, sie zuckte mit den Schultern.

„Wo bleiben die denn?“, fragte sie stattdessen ungeduldig und beobachtete die Strahlen der Taschenlampen.

„Da sind sie auch schon“, stellte Piper fest als zwei Gestalten aus dem Dickicht des Waldes endlich die Lichtung betraten und vom blassen Mondlicht beleuchtet wurden.

„Hallo?“, rief eine der beiden Personen zu ihnen herüber. Ein Mann offensichtlich.

„Kommen Sie nur näher“, rief Prue.

Die beiden Gestalten kamen langsam näher und als sie in den Schein des Feuers traten, waren Phoebe, Piper und Prue erst einmal sprachlos.

„Scully und Mulder?!“, rief Phoebe dann plötzlich aus. „Ich meine… „

Sie wurde von einem gleißenden Blitz unterbrochen, der plötzlich über den Himmel zuckte und die Szenerie für Sekunden in bizarres Licht tauchte.

Scully und Mulder sahen sich verwundert an.

„Woher kennen Sie uns, bitte?“, fragte Scully dann eine der drei jungen Damen, die dort um das Lagerfeuer saßen.

„Aus dem Fernsehen natürlich“, Phoebe konnte sich einfach nicht zurückhalten und erntete schon dem entsprechende Blicke ihrer Schwestern.

„Ich verstehe nicht ganz“, meldete sich nun auch Mulder zu Wort. „Wie meinen Sie das, aus dem Fernsehen?“

Piper, Prue und Phoebe tauschten verständnislose Blicke und schüttelten die Köpfe. Sie hatten keine Ahnung, was in diesem Moment grade passierte.

„Ähm, setzen Sie sich doch erst einmal“, bot Piper den beiden Neuankömmlingen schließlich an.

Scully und Mulder kamen der Einladung nach und gesellten sich zu den dreien ans Feuer.

„Also gut“, begann Mulder. „Ich bin Agent Fox Mulder und das ist meine Partnerin Agent Dana Scully.“

„Aber scheinbar wissen Sie das schon“, fügte Scully in einem fragenden Tonfall an.

„Ähm, nun ja…“, Phoebe wusste nicht recht, wie oder wo sie anfangen sollte. „Sie kennen nicht zufällig diese Serie „The X Files“ oder auch „Akte X“ genannt?“.

Scully und Mulder schüttelten den Kopf.

„Wir arbeiten zwar an den X-Akten“, meinte Mulder. „Aber dass es eine TV-Serie dazu gibt, wusste nicht mal ich.“

Prue räusperte sich plötzlich und bedeutete ihren Schwestern mit unauffälligen Gesten, ihr hinters Zelt zu folgen. „Ich muss mal schnell nachsehen, ob noch alle Heringe im Boden stecken“, entschuldigte sie sich und huschte hinter das Zelt.

Piper und Phoebe sahen sich kurz an. „Wir helfen dir!“, riefen sie wie aus einem Munde und sprangen ebenfalls auf.

Mulder und Scully machten es sich weiterhin am Feuer gemütlich.

„Glauben Sie wirklich, dass es eine solche TV-Serie gibt, Mulder?“, fragte Scully ihren Partner.

Der schüttelte nur langsam mit dem Kopf.

„Nein, ich denke, ich wüsste dann davon. Ich meine, wenn ich nicht grad an einem Fall arbeite, hänge ich ständig vor der Glotze und sehe mir sämtliche Science Fiction Serien an, die grade so laufen.“

„Aber woher kennen die drei uns dann?“, Scully war etwas verwirrt.

„Gut geraten, vermute ich“, war Mulders Antwort dazu.

„Hhm, das könnte natürlich sein“. Scully nickte, ja, das musste es sein.

 

Hinter dem Zelt.

„Die beiden scheinen tatsächlich zu glauben, dass sie Scully und Mulder sind“, flüsterte Phoebe.

„Sie sehen auch genau aus, wie die beiden“, murmelte Piper.

„Ja, jetzt…“, entgegnete Phoebe. „Vielleicht sind sie aus einer psychiatrischen Anstalt entkommen, in der sie vorher einsaßen, wegen Zwangsvorstellungen. Vielleicht sind es zwei fanatische Fans, die sich chirurgisch operieren ließen, um wie ihre Vorbilder auszusehen und jetzt irren sie durch den Wald um …“

„Phoebe!“, Prue hatte genug gehört. „Glaubst du das wirklich?“

„Naja“, Phoebe zuckte mit den Schultern. „Kann doch sein…“

„Lasst uns das Ganze etwas mehr austesten… wie heißen die beiden Darsteller noch? David und Gillian?“, fragte Piper.

Phoebe nickte.

„Okay“, setzte Piper ihren Plan fort. „Wir können sie ja gleich mal beiläufig so ansprechen und sehen, wie sie reagieren. Vielleicht machen sie einen Fehler...“

„Und wenn nicht?“, fragte Prue.

„Dann sind es vielleicht doch entlaufene Irre“, gab Piper nun Phoebes Theorie Recht.

 

Scully und Mulder saßen noch immer am Feuer, als die drei Schwestern wieder hinter dem Zelt auftauchten und sich zu ihnen gesellten.

„Und, alle Haken noch an Ort und Stelle?“, fragte Mulder.

„Hhm?!“, Prue zog verständnislos die Augenbrauen hoch und erntete sogleich von beiden Schwestern, die neben ihr saßen, einen Stoß mit dem Ellenbogen in die Rippen.

„Ach…“, ihr fiel ihre Ausrede wieder ein. „Ja, alles bestens, danke der Nachfrage David.“

Mulder runzelte die Stirn.

„David? Mein Name ist Fox…“, er lächelte. „Und ich hatte bisher immer gedacht, dass man diesen Namen so schnell nicht vergessen könnte.“

Wieder zuckte ein gewaltiger Blitz über den dunklen Nachthimmel.

„Wie wäre es, wenn Sie beide diese Nacht hier bei uns Ihr Lager aufschlagen?“, lud Piper die beiden ein. „Es könnte nämlich Regen geben“, fügte sie hinzu.

Scully und Mulder waren einverstanden und so baute Mulder schnell ihr Zelt auf.

Währenddessen konnte sich Phoebe nicht verkneifen, Scully auszufragen.

„Sagen Sie, Gillian“, fing sie an. „Wer ist eigentlich nun wirklich größer? Ich meine, von der Körpergröße her gesehen? Sie oder Ihr Charakter Scully?“

Sie erntete verständnislose Blicke. „Bitte?“, brachte Scully schließlich heraus. „Ich verstehe nicht ganz. Und wer ist Gillian?“

 

* * *

 

„Können wir jetzt los?“, Frank stand ungeduldig in der Tür. Er sah aus dem Fenster. Die Sonne war schon seit geraumer Zeit untergegangen.

„Ja, ja, ich bin sofort fertig“, rief ihm Sam aus dem Bad zu.

Frank verdrehte die Augen, das hatte sie vor einer halben Stunde auch schon gesagt. Um so erstaunter war er, als Sam nach 50 Minuten wirklich aus dem Bad trat und zum Aufbruch bereit war.

„Jetzt aber Beeilung“, murmelte er. „Im Häuschen brennt sogar noch Licht, wir haben Glück.“

Die beiden verließen ihr Hotelzimmer und traten auf den Parkplatz der Anlage hinaus. Schnell gingen sie über das Gelände auf das kleine Lebkuchenhäuschen zu.

Vor der Tür angekommen zögerte Frank nicht lange und klopfte an.

Aus dem Inneren war ein hoher Aufschrei zu vernehmen. Dann Stille. Plötzlich eilige Schritte, die sich der Tür näherten. Eine Türkette wurde gelöst, ein Verriegelungsmechanismus, ein Türbalken, 20 Vorhängeschlösser, noch eine Türkette, dann das eigentliche Türschloss.

Frank und Sam traten einen Schritt zurück, wer weiß, was sie nun noch erwartete, doch als sich die Tür schließlich öffnete, waren sie mehr als erstaunt.

Eine kleine bucklige Frau stand vor ihnen, genauso wie die beiden sie sich vorgestellt hatten.

Lange weiße Haare, die wild um ihre Schultern fielen, auf dem Kopf einen blauen, modernen Sonnenhut und auf der Nase die Sonnenbrille, wie sie schon Morpheus im Film „Matrix“ getragen hatte.

Ein gleißender Blitz zerschnitt die Dunkelheit der Nacht.

„Entschuldigen Sie, dass wir noch so spät stören“, begann Frank, doch die Alte unterbrach ihn.

„Oh, keine Sorge, ich habe euch bereits erwartet.“

Dann sah sie verwirrt an sich hinunter, fasste sich an den Kopf und nahm den Hut ab. „Wo kommt denn der auf einmal her? Wieso ist der Hut mit Stahl ausgekleidet, ist doch viel zu schwer! Und was sind das für dunkle Augengläser?“ Sie betrachtete die Sonnenbrille, die sie soeben von ihrer Nase genommen hatte. „Wie soll man denn dadurch etwas sehen können?“, sie schüttelte den Kopf. „Und kaputt ist sie auch noch“, fügte sie hinzu, als sie bemerkte, dass die Brille keine Bügel hatte. Schnell warf sie den Hut und die Brille fort.

„Woher wussten Sie, dass wir kommen“, frage Sam erstaunt, ohne die Verwirrtheit der alten Dame bemerkt zu haben.

„Ich wusste es einfach“, gab die alte Frau geheimnisvoll zurück. „Ich hatte da so ein Gefühl“, ergänzte sie dann.

„Ein Gefühl“, fragte Frank. „Sie meinen, so was wie Visionen, Träume?“

Die Alte schien verwirrt.

„Nein, so was nicht! Das ist doch Humbug.“ Sie machte eine abfällige Geste. „Aber nun zu Euch, Hänsel und Gretel.“

„Nein, nein, wir sind nicht…“, Frank wollte das Missverständnis aufklären, doch es war bereits zu spät.

„Ha, ha, ich habe Jahre auf euer Kommen gewartet!“

Wie aus dem Nichts hatte die Alte aus ihren Kitteltaschen zwei Elektroschocker hervorgezogen und verpasste damit Frank und Sam eine ordentliche Dosis.

„Hänsel und Gretel. Ihr werdet euch hier wohlfühlen.“

Frank und Sam sackten bewusstlos vor der Tür zusammen.

Schnell packte die Alte einen nach dem anderen bei den Füßen und zog die schlafenden Körper in ihr Häuschen und verschloss die Tür wieder sorgsam.

Dann huschte sie zur Hintertür und öffnete diese. Es war kein einziges Schloss daran angebracht, nicht mal eine Türklinke. Wer war auch schon so unhöflich und kam zur Hintertür herein?

Die Alte zerrte die beiden auf den Hinterhof, öffnete einen Käfig und sperrte Frank und Sam dort ein.

Dann huschte sie wieder ins Innere des Hauses und holte von dort viele süße und fette Speisen und Leckereien, die sie in Reichweite der beiden aufstellte.

Zufrieden betrachtete sie ihre Beute.

Seltsam, dieses Gefühl im Bauch, es war noch immer da. Sie war nun mehr als verwirrt. Schließlich beschloss sie, erst einmal eine Nacht darüber zu schlafen und ging ins Haus zurück.

Die Lichter erloschen nach wenigen Minuten und das Häuschen ward in Dunkelheit getaucht.

 

* * *

 

Mitten in der Nacht. Die Grillen zirpten. Vereinzelt flogen Glühwürmchen umher. Alles schlief, bis auf Phoebe. Sie hatte die ganze Nacht noch nicht richtig schlafen können. So viele Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Was hatte es auf sich mit den beiden Fremden, die nun nebenan in ihrem Zelt lagen und schliefen? Waren das wirklich Scully und Mulder? Aber das konnte doch überhaupt nicht sein! Es war eine TV-Serie und dabei blieb es… Also doch Geisteskranke, die aus ihrer Anstalt ausgebrochen waren. Dann schreckte sie plötzlich auf.

„Piper, Prue“, flüsterte sie und rüttelte ihre Schwestern wach.

„Was ist denn?“, grummelte Piper verschlafen.

„Mir ist noch eine andere Theorie eingefallen“, begann Phoebe.

„Du sollst schlafen“, flüsterte Prue müde. „Hat das nicht bis morgen Zeit?“

„Nicht, wenn möglicherweise Warlocks oder Dämonen im Spiel sind“, gab Phoebe zurück.

Nun waren die anderen beiden auch hellwach.

„Dämonen? Was meinst du, Phoebe?“, fragte Prue.

„Nun, die beiden sehen so aus wie Mulder und Scully und ich schätze mal, dass es wirklich ihre Darsteller sind, die dort draußen liegen und schlafen.“

„Du meinst David und Gillian?“, fragte Piper.

Phoebe nickte.

„Ja, genau. Ich fürchte nur, dass sie verzaubert wurden oder unter einem bösen Fluch stehen, der sie in ihrer eigenen TV-Serie gefangen hält… Oder zumindest in dem Glauben, sie seien diese Charaktere…“

„Hhm, das könnte tatsächlich sein“, gab Prue zu.

„Wir sollten bei ihnen bleiben“, schlug Piper vor. „Vielleicht können wir ihnen dann irgendwie helfen.“

Als sie alles Weitere geklärt hatten, legten sich die drei wieder schlafen und diesmal fand auch Phoebe den Weg in das Land der Träume.

 

* * *

 

Die Nacht lag schwer über dem Wald, nur vereinzelte Blitze am Himmel durchschnitten die Dunkelheit.

„Frank! Frank, so wachen Sie doch auf!“, Sam versuchte verzweifelt, ihren Partner wachzurütteln. Schließlich bewegte er sich tatsächlich und schlug die Augen auf.

„Was?“, er hustete und hielt sich die Stelle an der Seite seines Bauches, an dem die Alte ihn mit dem Schocker getroffen hatte.

„Ich habe keine Ahnung“, beantwortet Sam die noch nicht gestellte Frage. „Die Alte hat uns betäubt und hier in diesen Käfig gesperrt. Und sehen Sie sich das ganze Essen an.“ Sie deutete auf die Torten, Kuchen, Speckschwarten und das Übrige, das um und im Käfig angeordnet war.

„Sie will uns mästen“, schoss es Frank durch den Kopf. „Sie hält uns für Hänsel und Gretel.“

Jetzt konnte auch Sam sich wieder daran erinnern, dass die Alte sie so genannt hatte, kurz bevor sie… Sam rieb sich die schmerzende Stelle an ihrem Bauch.

„Jetzt ergibt es alles einen Sinn“, murmelte Frank unterdessen vor sich hin. „Sehen Sie nur, Sam. Das Lebkuchenhaus, das Erscheinungsbild der alten Frau, dieser Käfig und das ganze Essen.“

„Frank, hier läuft doch irgendwas gewaltig schief. Diese Frau glaubt tatsächlich, sie sei die Hexe aus dem Märchen!“

„Nun, vielleicht ist sie es…“, murmelte Frank.

„Was? Das glaube Sie doch nicht ernsthaft?“ Sam konnte es nicht fassen. „Wollen Sie mir dann auch weismachen, wir beide seien Hänsel und Gretel?!“

Frank schüttelte den Kopf. „Nein, aber ich fürchte, die alte Dame glaubt es. Sie muss an völligem Realitätsverlust leiden. Vermutlich hervorgerufen durch Einsamkeit, Alterssenilität oder sonst was.“

„Das hilft uns auch nicht weiter“, stöhnte Sam. „Wir sitzen hier noch immer fest, und es scheint so, als wäre dieser Käfig alles andere als aus einem Märchen.“ Sie deutete auf ein Firmenschild, dass an einer Seite des Käfigs angebracht war. „SM-Productions – We conquer the world“ war dort zu lesen. “The Cage - Der Käfig, der sie nicht wieder loslässt”, besagte der Untertitel.

Frank seufzte. „Dann müssen wir die Alte irgendwie überlisten… wie war das noch in dem Märchen…“

Er kam nicht dazu die Frage zu vollenden, denn plötzlich wurde die Hintertür des Häuschens aufgestoßen und die Alte kam hinausgeschlurft.

„Würdet ihr beiden bitte ruhig sein! Beim Essen soll man doch nicht sprechen! Außerdem benötige ich dringend etwas Schlaf, danke. Ach ja, hier habt ihr noch etwas zum Nachtisch.“

Mit diesen Worten stellte sie zwei riesige Puddingschalen vor den Käfig und verschwand wieder im Haus.

Frank und Sam sahen sich sprachlos an, das konnte doch alles nicht wahr sein. Frank schüttelte den Kopf.

„Ich denke, wir sollten tatsächlich bis morgen warten und versuchen, jetzt etwas Schlaf zu bekommen.“

Wieder durchzuckte ein Blitz die Dunkelheit.

Sam wollte zunächst widersprechen, jedoch wusste sie selbst auch keinen besseren Vorschlag, denn aus diesem Käfig gab es kein Entkommen.

„Ich hoffe nur, dass es nicht anfängt zu regnen“, murmelte sie stattdessen und betrachtete den Himmel. Er war sternenklar. Schließlich schlief sie ein und träumte von den drei Weisen aus dem Morgenland.

 

* * *

 

Die drei Halliwell-Schwestern und auch Scully und Mulder hatten die Nacht über wunderbar geschlafen. Zu ihrem Erstaunen hatte es nicht einmal geregnet, obwohl die gleißenden Blitze eigentlich für sich gesprochen hatten.

Zusammen hatten sie ein paar Beeren und Pilze gefrühstückt, die sie in der Glut des erloschenen Feuers erwärmt hatten.

Nun waren sie wieder auf Wanderschaft. Phoebe, Prue und Piper sammelten weiterhin ein paar Zutaten, die sie würden gebrauchen können und Scully und Mulder folgten ihnen, streitend natürlich.

„Mulder, wir sollten umkehren und nicht noch weiter in den Wald hineinlaufen“, schimpfte Scully unentwegt. „Wissen Sie überhaupt noch, wo wir sind? Ich meine, werden Sie jemals den Rückweg wiederfinden?“

Sie konnte sich die Antwort schon denken und seufzte innerlich. Von wegen Urlaub. Wieso war sie bloß darauf eingegangen. Eine Reise ins Ungewisse, das konnte ja nicht gut enden. Ich bin selber schuld, schalt sie sich.

„Was genau suchen Sie denn eigentlich hier im Wald?“, unterbrach Prue das Streitgespräch.

„Und was haben Sie da in ihrem Weidenkorb, ähm, Mulder?“, fragte Piper und war sich noch nicht ganz sicher, ob sie die beiden vermeintlichen Agenten wirklich so ansprechen sollte.

Scully sah ihren Partner erwartungsvoll an. Ja, nun erklären Sie das mal, Mulder. Viel Spaß.

„Nun, wir sind auf der Suche nach den nächsten Nachbarn, um sie zu begrüßen“, begann Mulder. „Wir haben ihnen ein paar Präsente eingepackt, die wir ihnen übergeben möchten.“

„Nein, das haben wir nicht!“, korrigierte Scully schnell. „Sie haben das getan und mich gezwungen, mitzukommen!“

Phoebe schmunzelte, das war ja noch schlimmer als in der Serie.

„Was machen Sie drei eigentlich hier draußen, wenn ich fragen darf“, nun war Scully ebenfalls neugierig.

„Naja, wir suchen ein paar Kräuter, Pilze und so weiter“, fing Piper vorsichtig an.

„Aber, wozu?“, hakte Scully nach.

„Wir… äh… wir sind ziemlich naturverbunden, müssen Sie wissen“, Prue versuchte, sich eine halbwegs glaubhafte Geschichte einfallen zu lassen.

„Wir sind Hexen“, kam ihr Phoebe jedoch zuvor.

„Phoebe!“, zischten Prue und Piper gleichzeitig.

„Hexen?“, Mulder horchte auf.

„Ach, Sie wissen schon, Kräuterhexen…“, fuhr Phoebe fort. „Wir brauchen dieses ganze Zeug direkt aus dem Wald um unsere Tränke und Mixturen herstellen zu können. Daher gehen wir einmal im Jahr los und sammeln was wir finden können.“

„Dann können wir ja noch ein Weilchen zusammen wandern, wenn es Ihnen nichts ausmacht“, schlug Mulder vor. „Bisher müssen wir offenbar noch in die selbe Richtung.“

„Mulder, Sie wissen doch gar nicht, in welche Richtung wir müssen“, zischte Scully.

„Das ist schon in Ordnung, etwas Gesellschaft ist eine willkommene Abwechslung für uns“, meinte Piper. Außerdem müssen wir auf Sie beide aufpassen, da sie offenbar unter Dämonen-Einfluss stehen, fügte sie in Gedanken hinzu.

„Also betreiben Sie eine Art von Naturheilkunde?“, fragte Scully dann, während sie Mulder widerwillig folgte.

„Ja, ja genau!“, stimmte Prue dieser Annahme sofort zu, bevor eine ihrer Schwestern noch sonst was erzählte. „Daher tragen wir auch diese Kleidung und die Hüte“, ergänzte sie schnell.

„Kleidung, Hüte?“, Scully schien irritiert. Dann fiel es ihr auf. „Oh!“, rief sie erstaunt. „Das ist mir noch gar nicht aufgefallen…“

 

* * *

 

„He, da! Aufgewacht!“

Mit diesen Worten wurden Sam und Frank unsanft aus ihren Träumen gerissen.

Verwirrt sahen sie sich um, doch als sie die Alte erblickten und die Unmengen an Nahrungsmitteln, die noch immer im und um den Käfig herum standen, fielen ihnen die Geschehnisse des gestrigen Tages schlagartig wieder ein.

„Nun streckt mal eure Finger raus, damit ich sehen kann, was ihr schon zugelegt habt“, forderte die alte Frau.

Frank und Sam sahen sich an. Das war ja exakt wie im Märchen. Rasch sah sich Frank um und entdeckte, wonach er gesucht hatte. Einen abgenagten Hühnerknochen.

Gestern Abend hatte er nicht widerstehen können und ein halbes Hähnchen verputzt, dass ihm die ganze Zeit so verlockend vor der Nase gestanden hatte.

Die alte Frau hatte offenbar genauso schlechte Augen, wie die Knusperhexe aus dem Märchen, wie er feststellte, als er sich die alte Dame nun genauer bei Tageslicht ansah.

Er krabbelte mit dem Knochen zum Rand des Käfigs und streckte diesen anstatt seines Fingers nach draußen.

Die alte tastete nach dem vermeintlichen Finger, fand ihn und hielt inne.

„Hhm, nur Haut und Knochen…“

Sie wandte sich um und Frank lächelte Sam entgegen.

Die Alte wanderte zu einem alten Schrank, durchwühlte ein paar Schubladen und trat dann an den Käfig zurück. Sie hatte nun ein kleines Gerät bei sich, das sie nun einschaltete.

„Her mit dem Finger, Junge!“, rief sie aus. „Steck’ ihn hier in den Apparat hinein! Ich werde mich nämlich nicht überlisten lassen, ha, ha!“

„Was, was ist denn das?“, Frank zögerte, steckte dann aber den Knochen in die runde Öffnung der Apparatur.

„Das, mein lieber Hänsel, ist ein hochmoderner Fettanalysator!“ Sie warf einen Blick auf die Anzeige des Gerätes. „Und wie ich sehe, versuchst du grade, mich reinzulegen!“

Frank warf Sam einen Hilfe suchenden Blick zu, doch sie wusste auch nicht, was sie nun tun sollte.

„Jetzt nimm diesen Hühnerknochen aus dem Gerät und gib mir deinen Finger!“, rief die Alte ärgerlich.

„Hören Sie zu“, begann Sam schließlich. „Wir sind nicht Hänsel und Gretel.“

„Ha, darauf falle ich nicht rein, das könnte ja jeder sagen“, rief die Alte aus.

„Aber wir…“

„…wir können es beweisen.“, beendete Frank den Satz.

Sam sah in fragend an, dann begriff sie. Allerdings war sie sich nicht sicher, ob die Alte sich davon überzeugen lassen würde.

Frank kramte unterdessen bereits seinen Dienstausweis hervor und Sam tat es ihm gleich.

„Hier“, er reichte ihn der Alten durch den Käfig entgegen. „Sehen Sie sich das an.“

Die Alte nahm die Ausweise der beiden entgegen und überprüfte sie sorgfältig. Wieder rannte sie zu dem alten Schrank und kramte eine weitere Apparatur hervor.

„Einen Moment“, rief sie den beiden Gefangenen zu. „Ich muss nur schnell testen, ob die Dinger echt sind. Heutzutage kann man sich ja nicht sicher genug sein…“

Frank und Sam tauschten verständnislose Blicke.

„Irgendetwas läuft hier gewaltig falsch, Frank“, murmelte Sam ihrem Partner zu.

„Ich weiß“, bestätigte dieser nickend. „Ich bin mir nur noch nicht sicher, was es ist…“

„Sagen Sie, Sam“, er kratzte sich am Hinterkopf. „Hatten Sie diese Nacht irgendwelche Träume?“

Sam dachte kurz darüber nach und ihre Stirn legte sich in Falten.

„Ja, jetzt wo Sie es sagen… Allerdings habe ich keine Ahnung, ob es sich um eine Vision handelte oder um einen absolut sinnlosen Traum.“

„Glauben Sie mir, in jedem noch so sinnlos erscheinenden Traum steckt ein Körnchen Wahrheit“, gab Frank geheimnisvoll zurück. „Also gut, wovon haben Sie nun geträumt?“

Sam zögerte kurz mit der Antwort. Ihr Traum war alles andere als sinnvoll gewesen, daher hatte sie ihn vermutlich auch schon fast vergessen gehabt. Aber sie raffte sich auf und erzählte.

„Ich habe von den drei Weisen aus dem Morgenland geträumt. … Nein, warten Sie, eigentlich war es zum Schluss nur noch einer von denen, die anderen sind auf der Reise irgendwie abhanden gekommen.“ Sie überlegte weiter, kramte in ihren Gedanken. „Ja, es war nur noch einer und er hatte einen Gefährten dabei.“ Sie sah Frank an. „Möchten Sie wirklich noch mehr hören? Das war garantiert nur Gedankenmüll, der sich da im Schlaf entladen hat.“

„Das mag sein, aber ich würde dennoch gerne den Rest hören“, meinte Frank.

„Also gut. Die beiden kamen an einen riesigen Haufen von Puzzleteilen und haben angefangen, ihn zu sortieren oder so. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, vielleicht haben sie das Puzzle auch zusammengelegt… Auf jeden Fall wurde es immer wieder von einem Sturm in sämtliche Himmelsrichtungen verstreut.“ Sie sah auf. „Tut mir leid, Frank, an mehr kann ich mich wirklich nicht erinnern.“

„Ist nicht weiter wichtig, denke ich. Mein Traum war auch nicht aussagekräftiger.“

Sam bedeutete ihm mit einer Handbewegung fortzufahren.

„Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass ich von einem weißen Löwen geträumt habe. Er schwebte am Himmelszelt inmitten der Sterne und sagte unentwegt einen Satz…“

„Der Löwe hat gesprochen?“, Sam war nun neugierig geworden. „Was hat er denn gesagt?“

„Ich weiß es nicht mehr, Moment…“ Frank dachte angestrengt nach. „Er schützt dein Leben? … Nein, so ähnlich… Gleich hab’ ich’s, es liegt mir auf der Zunge.“ Frank raufte sich die Haare, was war denn das bloß für ein Spruch gewesen, den der Löwe aufgesagt hatte?

„Jetzt hab’ ich’s, denke ich!“, rief er plötzlich aus. „Der Herr schütze sein Leben!“

„Der Herr schütze sein Leben?! Was bitte soll das denn bedeuten?“, Sam sah ihren Partner entgeistert an. „Ich habe ihnen ja gesagt, dass manche Träume einfach nur Träume sind.“

„Vielleicht haben Sie recht“, gab Frank zu. „Diese Träume scheinen in der Tat ein wenig zu bizarr zu sein, um etwas bedeuten zu können.“

 

„He, Ihr da!“, die Alte stand wieder vor dem Käfig.

„Ich meine, entschuldigen Sie…“, sie senkte ihren Kopf. Irgendetwas schien ihr sehr unangenehm zu sein.

Oh nein, sie will uns jetzt bestimmt in den Ofen stecken und weiß nicht, wie sie es uns sagen soll, dachte Sam und rückte an die hintere Wand des Käfigs.

Na endlich, sie hat verstanden, dass wir nicht echt sind, ich meine, nicht Hänsel und Gretel, dachte Frank statt dessen und damit hatte er recht.

„Es tut mir so unendlich leid, Frank und, äh…“, sie warf einen Blick auf die Ausweise. „…und Samantha.“

„Oh, bitte, nennen sie mich Sam.“

„Ich werde sie sofort freilassen“, murmelte die Alte und schloss mit diesen Worten den Käfig auf.

Erleichtert traten die beiden Ermittler ins Freie.

Die alte Dame gab ihnen ihre Ausweise zurück und entschuldigte sich noch einmal herzlichst für dieses Missverständnis.

„Das Mindeste, was ich nun tun kann, ist, Sie beide zum Essen einzuladen“, setzte sie fest.

„Nein, nein, Sie werden kein Teil der Speise sein“, fügte sie schnell hinzu, als sie die Blicke von Frank und Sam bemerkte. „Ich habe eine herrliche Suppe gekocht, es ist genug für alle da“, rief sie fröhlich aus. „Ich denke, es werden bald noch mehr von euch eintreffen…“

Mit diesen Worten verschwand sie auch schon im Haus.

„Noch mehr von uns?“, Sam verstand nicht und auch Frank konnte damit nichts anfangen.

„Gehen wir rein und fragen sie“, schlug er vor.

 

* * *

 

Im Mausoleum auf dem Friedhof.

Cole überlegte sich grade, ob er nicht die Wände der Gruft mit bunten Tapeten etwas auffrischen sollte.

Er schüttelte den Kopf. Nein, es war hier viel zu feucht. Die Tapeten würden niemals an den Wänden bleiben. Vielleicht Wandfarbe? Ein paar Blumen hier und da, vielleicht ein paar Bilder…

„Cole“, riss es ihn plötzlich aus seinen Überlegungen. Er zuckte zusammen, wirbelte herum und warf in Gedanken schon einen blauen Energieball nach dem Eindringling. Grade noch rechtzeitig konnte er sich zurückhalten.

„Leo!“, keuchte er. „Wenn ich nicht bereits tot wäre, wäre ich es jetzt ganz bestimmt! Wie wäre es mal mit Anklopfen?“

Leo trat auf in zu. „Cole, erstens bist du noch nie tot gewesen und zweitens klopfst du auch nicht grade häufig an.“

„Oh, tatsächlich… ich vergaß“, Cole kratze sich am Hinterkopf. Er war etwas verwirrt heute.

Seit zwei Tagen ging etwas vor, von dem er nicht genau wusste, was es war. Er hatte eine Ahnung, daher hatte er Leo herbeordert.

„Ich vermute, du weißt bereits, warum ich dich sprechen will?“, fragte er ihn.

Leo nickte. „Wir müssen das so schnell es geht wieder in Ordnung bringen. Allerdings können nur wir beide gemeinsam das Tor öffnen.“

Coles Ahnung hatte sich also bestätigt. Er nickte. „Ich weiß.“

„Und ich weiß, dass die drei uns hassen werden“, murmelte Leo bei der Vorstellung, Phoebe, Prue und Piper hinterher zu reisen. „Sie haben uns tausend mal gesagt, dass sie nicht gestört werden wollen.“

„Ich denke, sie werden es verstehen, wenn wir ihnen erst einmal erklärt haben, um was es geht“, spekulierte Cole. Nein, er hoffte es, denn sonst würde Phoebe in vernichten, diesmal wirklich.

„Vielleicht haben sie es ja selbst auch schon bemerkt“, fügte er dann hinzu. „Sie befinden sich immerhin in der Nähe des Zentrums.“

„Also los, verlieren wir keine Zeit“, mit diesen Worten löste sich Leo auch schon in helles Licht auf.

Cole folgte ihm auf seine eigene Weise und verschwand.

 

* * *

 

Phoebe, Piper, Prue, Scully und Mulder wanderten noch immer durch den Wald. Inzwischen war es Mittag und die Sonne stand hoch am Himmel.

Mulder hatte sich wieder an die Spitze gesetzt und marschierte schnellen Schrittes voran, während sich die anderen bemühten, ihn nicht aus den Augen zu verlieren.

„Meine Güte, das ist mittlerweile schon keine Wanderung mehr, sondern ein kleiner Marathon“, keuchte Piper. „Was hat er nur vor?“

„Keine Sorge, er ist immer so, das ist sein ganz normales Schritttempo.“, beruhigte sie Scully, die allerdings nicht minder außer Atem war.

„Ich hätte nichts gegen eine kleine Pause“, keucht Phoebe. „He, Mulder!“, rief sie auch schon durch den Wald.

Doch Mulder reagierte nicht und marschierte fröhlich weiter.

„Er will uns nicht hören“, grummelte Scully verärgert. „Das gleiche Spiel habe ich gestern auch schon durchmachen müssen.“

„Ach, wir setzen uns jetzt einfach“, meinte Prue und blieb stehen.

Die anderen taten es ihr gleich.

„Ähm… ich laufe mal schnell vor und… sage Mulder bescheid“, meinte Piper und lief los.

Nach wenigen Augenblicken kam sie zurück und grinste.

„Und, was hat er gesagt?“, fragte Scully.

„Er… ähm... er wartet dort hinten auf uns“, gab Piper zurück und warf ihren Schwestern einen gewissen Blick zu.

„Wie lange wird er warten?“, fragte Phoebe.

„Bis wir fertig sind“, grinste Piper.

„Und du musst nicht noch mal nachsehen und ihn überzeugen?“, versicherte sich Prue.

„Nein, meine Überzeugungskünste sind etwas angewachsen, denke ich.“ Mit diesen Worten setzt sich Piper in die Runde.

Die vier Frauen packten ihren Proviant aus und machten es sich erst einmal gemütlich.

 

Eine Wegbiegung weiter, außer Sicht, stand Mulder mit seinem Weidenkorb. Reglos. Einige Vögel hatten sich bereits auf ihm niedergelassen.

Er würde warten. Zwangsläufig.

 

* * *

 

„Ich glaube es nicht, sie hat ihn erstarren lassen“, Leo schüttelte den Kopf und grinste.

Cole und er waren vor wenigen Minuten angekommen und hatten Phoebe, Prue und Piper auch sofort entdeckt. Doch bei ihnen waren noch zwei weitere Personen, die weder Cole noch Leo kannte.

Sie hockten in sicherer Entfernung im Unterholz des Waldes und beobachteten zunächst das Geschehen.

Grade war Piper dem Mann an der Spitze der Truppe nachgelaufen und hatte ihn ohne Vorwarnung eingefroren.

„Tja, wer nicht hören will…“, nun grinste auch Cole. „Was trägt er denn da bei sich? Ist das ein Weidenkorb?“

„Es sieht ganz danach aus“, meinte Leo.

„Scheinbar hat sich ihre Kraft ein wenig verstärkt“, stellte Cole fest, als der Zauber nach einigen Minuten noch immer nicht seine Wirkung verlor.

„Diese ruhigen Tage im Wald zur Wiederentdeckung alter Kräfte scheinen schon jetzt etwas gebracht zu haben“, überlegte Leo.

„Wir sollten warten, bis sie ihre Pause beendet haben“, fuhr er dann fort.

Cole nickte.

„Ich denke auch, dass das die beste Entscheidung ist. Allerdings sollten wir uns vorsehen…“

Leo nickte. „Ich möchte auch nicht so enden, wie dieser Typ dort“ und deutete auf Mulder, der inzwischen Besuch von allerlei Tieren des Waldes bekommen hatte.

 

* * *

 

„Was haben Sie vorhin damit gemeint als Sie sagten, es würden noch andere von uns kommen?“, fragte Frank nachdem sie es sich am großen Esstisch im Häuschen gemütlich gemacht hatten und eine Tasse heißen Tee schlürften.

Die Alte lächelte geheimnisvoll.

„Wartet es nur ab, meine Lieben…“, gab sie dann zurück. Sie legte den Kopf schief. „Ihr habt wirklich keine Ahnung, wovon ich spreche, oder?“

Frank und Sam schüttelten den Kopf.

Die Alte stockte. „Wartet mal, wie heißt ihr noch gleich?“

„Frank Black und Sam Waters“, erinnerte Sam die Alte an ihre Namen.

„So, so, hihihi…“, kicherte diese vor sich hin. „Wie passend…“

„Was ist denn nun schon wieder?“, fragte Sam an Frank gewandt. Der jedoch verstand genau so wenig.

„Hahaha, Sie befinden sich in schwarzen Gewässern! Hahaha“

…Schweigen.

Die Alte verstummte, sah die beiden prüfend, dann verwirrt an.

Sam warf Frank einen Blick zu. Er zuckte mit den Schultern, sie schüttelte den Kopf.

„Huhu!“, rief die Alte plötzlich.

Wie aus dem Nichts hatte sie einen Zaunpfahl in der Hand und winkte damit den beiden Agenten entgegen.

„Schwarze Gewässer!“

Keine Reaktion…

„Black Waters! Hahaha!“

Nichts….

Sichtlich enttäuscht über so viel sprachliche Inkompetenz schmiss die Alte ihren Pfahl in die Ecke.

„Entschuldigen Sie, ich wusste nicht, dass Sie keine Wortspielchen verstehen…“

„Hhm?!“, Frank verstand kein Wort. „Wir tappen hier absolut im Dunkeln, fürchte ich“, seufzte er an Sam gewandt.

„Wir sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht“, war Sam’s Kommentar.

„Für mich sind das böhmische Dörfer…“, murmelte Frank widerum.

„Ich stehe auch auf dem Schlauch“, gab Sam zu.

„Ein Buch mit sieben Siegeln“, Frank schüttelte den Kopf.

Die Alte klatschte sich mit der Hand vor die Stirn und verdrehte die Augen gen Himmel.

 

* * *

 

Phoebe horchte plötzlich auf.

„Hört ihr das“, flüsterte sie.

„Hhm?“, Piper sah sie fragend an und sah sich um.

Auch Prue und Scully ließen ihre Blicke schweifen.

„Was meinst du?“, fragte Prue.

„Sschht!“ Phoebe machte wilde Handbewegungen um die drei zum Schweigen zu bringen.

„Hört doch…“

Alle verrenkten sich nun die Hälse um das zu hören, was Phoebe zu hören schien.

Und tatsächlich, ein leises, gleichmäßiges Geräusch war nun zu vernehmen.

„Schnarcht da jemand?“, flüsterte Piper.

„Mulder?“, vermutete Scully.

Piper schüttelte den Kopf. „Nein, die Erstarrung müsste noch etwas anhalten“, murmelte sie vor sich hin.

„Wie bitte?“, Scully war irritiert.

Piper, der grade bewusst geworden war, dass sie gar nicht unter sich waren, versuchte sich schnell eine Ausrede einfallen zu lassen. „Ähm, was ich meinte… also… ach, was soll’s!“

Mit einer schnellen Handbewegung hatte sie nun auch Scully erstarren lassen.

„Also, was ist das nun?“, fragte sie dann ihre Schwestern.

„Keine Ahnung, aber das werden wir gleich wissen.“ Mit diesen Worten stand Phoebe auf und ging langsam auf die Quelle des Geräusches zu.

„Hey, ich glaube, da schnarcht tatsächlich jemand“, flüsterte sie ihren beiden Schwestern zu.

„Also, Mulder ist es jedenfalls nicht“, murmelte Prue.

Piper musste sich konzentrieren um nicht lauthals los zu lachen. „Der sieht ja aus wie Franz von Assisi!“

Phoebe und Prue sahen zu Mulder hinüber und mussten sich ebenfalls auf die Lippen beißen.

Mulder stand auf einer kleinen Lichtung, den Weidenkorb im Arm, noch immer erstarrt. Vögel und Eichhörnchen hatten es sich auf ihm gemütlich gemacht. Schmetterlinge tanzen um seinen Kopf und kleine Häschen liefen vor seinen Füßen umher. Durch die Baumwipfel fiel ein Sonnenstrahl direkt auf ihn und tauchte ihn in ein unwirkliches Licht. Er glich einer Statue.

„Hey, weiter geht’s!“, riss Phoebe sich und ihre Schwestern von diesem Anblick los.

Mit den Händen zerteilte sie das grobe Buschwerk, das am Rand der Lichtung wuchs und den Blick ins Unterholz verwährte. Sie spähte hindurch.

Schnell ließ sie die Büsche wieder zuschnappen, presste sich eine Hand vor den Mund und prustete verhalten.

„Ihr werdet es nicht glauben, aber der Anblick hinter diesen Büschen da ist fast noch besser als Mulder’s!“, keuchte sie.

„Andererseits…“, zischte sie nun. „Was machen die beiden hier? Sie sollten uns doch alleine lassen!“

Phoebe war sauer.

Piper und Prue verstanden momentan gar nichts.

Phoebe trat wieder an die Büsche heran und bog sie zur Seite. Sie ließ ihre beiden Schwestern einen Blick durch die Lücke des Buschwerks werfen.

An einen Baum gelehnt saßen dort Leo und Cole auf dem Waldboden… Sie waren eingeschlafen. Coles Kopf lehnte selig an Leos Schulter, während dieser mit weit offenem Mund dasaß und schnarchte.

„Leo!“, rief Piper aus und stapfte schnurstracks durch die Büsche.

„Mmh, was?!“, verwirrt sah sich Leo um und sah plötzlich eine wütende Piper auf sich zu kommen.

Auch Cole war aufgewacht und musste sich jetzt vor Phoebe retten, die nun mindestens genauso wütend auf ihn zu kam.

„Phoebe, warte“, rief er aus und sprang auf.

„Worauf? Wir haben euch gesagt, dass wir alleine hier her wollten, doch daran habt ihr euch nicht gehalten!“, rief sie.

„Piper, wir hatten nicht vor euch zu folgen“, versuchte Leo zu erklären.

„… habt euch dann aber spontan umentschieden“, vollendete Piper seinen Satz.

„Nein!“, verteidigte er sich.

„Hört doch erst mal zu…“, rief Cole. „Nette Hüte, übrigens“, fügte er grinsend hinzu und bekam dafür prompt einen Schlag in den Bauch.

„Also schön, was ist hier los?“, ging nun Prue dazwischen, die bisher das Schauspiel amüsiert verfolgt hatte.

„Piper, Phoebe!“, rief sie, als ihre Schwestern sie überhört zu haben schienen.

Dann wurde es ihr zu bunt und sie schleuderte ihre Schwestern mit einer Handbewegung ein paar Meter durch die Luft ins nächste Buschwerk.

„Also, was ist hier los?“, richtete sie dann ihre Aufmerksamkeit auf die beiden Männer.

„Sind euch die Blitze am Himmel aufgefallen?“, frage Cole.

„Ja, wieso?“, rief Phoebe aus den Büschen und kam schließlich daraus hervor gekrabbelt, Piper im Schlepptau.

„Die Realitäten überlagern sich“, erklärte Leo.

„Bitte?!“, die drei Schwestern verstanden kein Wort.

„Also, jetzt mal ganz langsam“, sagte Piper. „Was überlagert sich?“

„Ich glaube, wir sollten uns die ausführliche Erklärung für später aufsparen“, überlegte Leo und sah Cole an.

Dieser nickte zustimmend. „Lasst uns zunächst die anderen aufsuchen.“

„Welche anderen?“, fragte Piper.

„Meint ihr Scully und Mulder… ähm... ich meine, die beiden, die sich für sie halten?“, fragte Phoebe. „Die haben wir schon gefunden.“

„Nein, die meinen wir nicht.“ Cole schüttelte den Kopf. „Es gibt noch andere.“

„Und wieso meinst du, dass sie sich für diese… wie hießen sie?“, fragte Leo.

„Scully und Mulder“, erklärte Prue. „Sie haben sich uns so vorgestellt und hatten sogar ihre FBI-Dienstausweise dabei. Sie sehen sogar exakt so aus wie Scully und Mulder, aber das sind Charaktere aus einer TV-Serie!“

„Oh, dann sind die beiden echt“, meinte Cole.

„Wie meinst du das?“, fragte Phoebe.

„Wie gesagt, die Realitäten überlagern sich… Die Charaktere aus der vermeintlichen TV-Serie sind nun mit uns in eine gemeinsame Existenzebene geraten“, begann er zu erklären, doch er wurde von lautem Fluchen unterbrochen.

„Weg mit euch! Kscht!“, tönte es von der Lichtung zu ihnen ins Unterholz.

„Oh, oh“, murmelte Piper.

„Mulder?“, frage Prue.

Piper nickte.

Gemeinsam liefen die fünf schnell auf die Lichtung und fanden einen Mulder vor, der wild um sich schlug um die kleinen Tiere loszuwerden, die ihn inzwischen lieb gewonnen hatten.

„Was zum Teufel…“ Mulder stockte, als er die fünf aus den Büschen kommen sah.

„Wo kommen Sie denn jetzt alle her?“, fragte er verwirrt. „Und wer sind Sie beide“, er sah Cole und Leo an.

„Das erklären wir später“, setzte Prue fest. „Wir müssen erst einmal weiter.“

„Ja, das wollte ich doch die ganze Zeit, aber Sie wollten doch alle eine Pause machen!“, meinte Mulder. „Und wo ist Scully?“

„Ah, Scully…“, Piper lief schnell davon.

„Was…?!“, Mulder blickte ihr irritiert nach.

„Ach, nichts weiter“, versuchte Phoebe ihn abzulenken. „Ignorieren Sie das einfach.“

 

Mit einer Handbewegung löste Piper Scully aus der Erstarrung.

Diese blickte nun verwirrt um sich.

„Was ist denn jetzt passiert? Wo sind Phoebe und Prue und wieso stehen Sie nun direkt vor mir? Sie saßen doch grade noch neben mir und wollte mir erklären, was sie…“

„Dafür haben wir jetzt keine Zeit! Kommen Sie mit, wir müssen weiter!“, rief Piper und zerrte Scully mit sich.

 

„Da kommen die beiden auch schon“, meinte Prue, als Piper mit Scully wieder zu ihnen stieß.

„Mulder, wie sehen Sie denn aus?“, fragte Scully und musterte ihren Partner.

Mulder blickte nun erstmals an sich hinunter und stellte fest, dass die Tiere ihn nicht nur als Rastplatz zum Ausruhen verwendet hatten, sondern auch als Toilette…

„Ich habe keine Ahnung, woher das auf einmal gekommen ist, Scully“, versuchte er zu erklären. „Es kam von einem Augenblick zum nächsten. Ich stand da und plötzlich war ich von Tieren umlagert, die aus dem Nichts gekommen zu sein schienen“, er zuckte mit den Schultern.

„Ich glaube, ich weiß, was Sie meinen“, murmelte Scully.

„Und wer sind Sie?“, fragte sie und musterte Leo und Cole.

„Wir… ähm…“, fing Leo an.

„… sind zwei Freunde von uns“, setzte Piper seinen Satz fort.

„Ja! Wir haben uns hier mit den beiden verabredet“, stimmte Phoebe zu.

„Hier?“, fragte Scully skeptisch. „Mitten im Wald? Im Nichts?!“

„Ja, ganz genau“, bestätigte nun auch Prue die Geschichte.

„Sehr realistisch…“, murmelte Mulder.

„Ähm… wie wäre es, wenn wir später über alles reden würden“, meinte Cole dann. „Wir haben noch ein Stück Weg vor uns bis wir das Ziel erreichen.“

„Welches Ziel?!“, rief Scully entsetzt. „Sie wollen doch nicht auch mitten im Wald nach den nächsten Nachbarn suchen?“

„Nach wem?“. Nun war Cole es, der verwirrt war. „Ich meinte eigentlich das Lebkuchenhaus.“

„Was?!“, Scully konnte es nicht fassen, war sie denn nur von Wahnsinnigen umgeben? „Sie suchen das Lebkuchenhaus? Sie meinen nicht zufällig das in dem die Märchenhexe wohnt, oder?“, fragte sie sarkastisch.

„Ach, Sie kennen Sie?“ Cole war überrascht.

Scully starrte ihn an.

„Ha, ha, das war doch nur ein Scherz“, versuchte Phoebe die Situation zu retten. „Nicht wahr, Cole?“, zischte sie.

„Nein“, erwiderte dieser. „In dem Haus wohnt wirklich die Märchenhexe.“

Scully schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Okay, ich ergeben mich! Wo ist die Kamera?“, sie blickte sich suchend um.

„Los, Mulder, sagen Sie schon!“, sie ging drohend auf ihren Partner zu.

Mulder hob abwehrend seine Hände. „Scully, was haben Sie vor, wovon reden Sie?“

„Wovon ICH rede?“, rief sie. „Wovon reden SIE denn alle? Die nächsten Nachbarn mitten im Wald, Märchenhexen in Lebkuchenhäusern, Leute, die plötzlich wie aus dem Nichts erscheinen… das kann doch alles nur einer ihrer kranken Scherze sein!“

„Scully, ich habe damit nichts zu tun und wenn das ein Scherz ist, dann bin ich genauso darauf reingefallen…“, er ließ die Hände sinken.

„Es ist kein Scherz und wir sind auch nicht wahnsinnig“, versuchte Leo wieder Ruhe in das Ganze zu bringen. „Kommen Sie einfach mit und sehen Sie selber. Wenn wir angekommen sind, erklären wir den Rest für alle.“

„Na, das habe ich doch schon mal gehört…“, murmelte Scully und sah Mulder an. „Und ich warne Sie, wenn Sie damit irgendetwas zu tun haben, sind Sie ein toter Mann, Mulder.“

„Und wir dachten, die beiden würden unter Dämoneneinfluss stehen“, flüsterte Phoebe Cole zu.

Dieser schüttelte den Kopf. „Dämonen haben hiermit ausnahmsweise mal nichts zu tun.“

 

Gemeinsam machten sich die sieben nun auf den Weg zum Lebkuchenhäuschen.

Sie brauchten nicht so weit zu laufen, wie sie gedacht hatten, schon nach der nächsten Wegbiegung tat sich eine Lichtung auf und dort stand es.

„Nicht zu glauben, es ist tatsächlich aus Lebkuchen“, Scully konnte es nicht fassen.

„Es sieht aus wie im Märchen“, murmelte Mulder. Plötzlich hellte sich sein Gesicht auf und er umarmte Scully, für die diese Attacke viel zu plötzlich kam, um sich noch rechtzeitig wehren zu können.

„Hey, Scully!“, jubelte er. „Das sind die nächsten Nachbarn! Wir haben sie gefunden!“

„Gott sei dank“, seufzte Scully.

„Jetzt können wir sie gebührend begrüßen!“, rief er aus. Dann sah er an sich hinunter. Schnell hatte er sich sein Jackett vom Leib gerissen und warf es ins Gebüsch. Er fuhr sich einige Male mit den Fingern durch die Haare und rückte seine Krawatte zurecht.

„Vielleicht sollte ich mich auch ein wenig zurechtmachen“, überlegte Cole als er nun auch an sich hinunter sah. „Wie wäre es mit einem schwarzen Anzug…“

Ehe Phoebe ihn aufhalten konnte stand auch schon Balthasar vor ihnen.

Scully sprang schreiend einige Schritte zurück.

Balthasar schien zufrieden und sah Phoebe fragend an. „Und?“

Phoebe lächelte. „Ich glaube, in dem Aufzug ist dein Anzug das Letzte, auf das jemand achten wird, Schatz.“

Plötzlich wurde ihm bewusst, wie er nun eigentlich aussah, und nahm schnell wieder seine menschliche Gestalt an.

„Sorry“, entschuldigte er sich bei Scully. „Ich wollte Sie nicht erschrecken.“

„Wer… was?!“, Scully wusste nicht recht, wie sie ihre Frage formulieren sollte.

„Er ist halb Dämon“, erklärte Phoebe direkt und ohne Umschweife.

„Wow“, entfuhr es Mulder, der sich das Geschehen fasziniert mit angesehen hatte.

„Kommt ihr jetzt mit oder nicht?“, fragte er dann und marschierte, ohne auf Antwort zu warten, auf das Häuschen zu.

 

* * *

 

„Wie viele Personen erwarten Sie“, fragte Sam, als die alte Frau anfing, einen Teller nach dem anderen auf dem Tisch zu platzieren.

„Neun“, antwortete sie. „Mit mir werden wir zu zehnt sein.“

„Was denn, so viele Leute?“ Frank war erstaunt. „Und die haben Sie alle erwartet?“

Die Alte nickte.

„Und Sie sind sicher, dass noch jemand kommt?“, fragte Sam.

„Ich vertraue da ganz auf mein Bauchgefühl“, murmelte die alte Frau. „Aber seien Sie unbesorgt, die anderen werden gleich eintreffen. Ich bin mir heute so sicher, wie noch nie.“

Wie aufs Stichwort klopfte es an der Tür.

Frank und Sam zuckten zusammen.

„Sehen Sie“, lächelte die alte Frau und lief schnell zur Tür und öffnete diese.

Einige gewaltige Blitze zuckten am Himmel.

„Hallo, meine Lieben“, rief sie aus. „Ich habe euch bereits erwartet.“

„Brot und Salz für unsere neuen Nachbarn“, rief Mulder als Begrüßung und hielt ihr seinen Weidenkorb unter die Nase.

„Oh, wie nett von dir!“ Die alte Frau nahm Mulder den Weidenkorb ab uns stürzte fast damit zu Boden. „Huh, schwerer, als gedacht“, ächzte sie.

„Sie sehen genauso aus, wie ich Sie mir vorgestellt habe, als ich das Haus sah“, meinte Mulder und musterte sie.

Die alte Frau bemerkte, dass sie erneut diesen schrecklichen blauen Hut auf dem Kopf und die merkwürdige Brille auf der Nase hatte.

Schnell entledigte sie sich dieser Dinge und warf sie zum wiederholten Male in eine Ecke.

„Wo kommen die Sachen nur immer her?“, murmelte sie. Dann wandte sie sich wieder an ihre neuen Gäste. „Kommt doch erst mal herein. Euer Geschenk passt hervorragend zur Suppe, die ich schon seit Jahrhunderten für euch koche…“

„Seit Jahrhunderten?“, murmelte Scully und betrat nach Mulder das Häuschen.

„Agent Scully, Agent Mulder?“, Frank erhob sich. „Was machen Sie denn hier?“

„Frank Black!“, rief Mulder erfreut. Sie gaben sich die Hand und auch Frank und Scully begrüßten sich.

Als nächstes traten Prue, Piper und Phoebe durch die Tür, gefolgt von Leo und Cole.

„John?!“, Sam sprang auf. „Was machen Sie denn hier? Hat Bailey Sie geschickt? Und wie haben Sie uns hier überhaupt gefunden?“

Cole drehte sich verwirrt um, um zu sehen, ob nach ihm noch jemand durch die Tür getreten war, doch dort war niemand. Diese Frau meinte ihn.

„Ähm… Sie meinen mich?“, fragte er. „Tut mir leid, Lady, aber mein Name ist nicht John. Ich heiße Cole und habe nicht die geringste Ahnung, wer Sie sind.“

„Aber Sie sehen exakt aus wie John Grant, einer meiner Arbeitskollegen“, widersprach Sam.

Auch Frank pflichtete ihr bei. „Ja, sie hat Recht, ich kenne John und Sie sind ihm wie aus dem Gesicht geschnitten.“

„Sie haben nicht zufällig einen lang verschollenen Zwillingsbruder?“, fragte Sam.

Cole schüttelte langsam den Kopf. „Nein, ich fürchte, da muss ich Sie enttäuschen…“

„Ein Klon vielleicht…“, spekulierte Mulder. „Ja, das könnte es in der Tat sein“, fiel Frank mit ein.

Phoebe verdrehte die Augen und trat an Cole heran. „Eine weitere Überschneidung?“, fragte sie.

Er nickte. „Jedenfalls ist das wahrscheinlicher als deren sinnlose Überlegungen…“ Er sah zu Frank und Mulder herüber, die bereits wild am diskutieren waren.

„Ich könnte schwören, ihn aus einer weiteren Serie zu kennen“, murmelte Phoebe und betrachtete Frank. „Die Frau hingegen kenne ich nicht.“

„Wie wäre es, wenn wir nun erst einmal gemeinsam essen“, schlug die alte Dame vor.

Niemand hatte etwas dagegen und so setzten sie sich alle um den großen hölzernen Tisch.

Die alte Frau verteilte das Brot, das Mulder mitgebracht hatte und stellte zwei große Suppenschüsseln auf den Tisch, die sie vorher aufgefüllt hatte.

Jeder bediente sich und aß.

 

„Cole, du sagtest vorhin im Wald etwas davon, dass sich die Realitäten überlagern würden“, begann Prue. „Ich nehme an, dass ist der Grund warum wir alle hier sind?“

Cole nickte bestätigend. „Es sind nicht nur reale Realitäten, sondern auch fiktive, wie wir hier merken. Märchen, TV-Serien, alles kommt zusammen. Jeder empfindet sich selbst als real, ist es jedoch nicht.“

„Aber ihr beiden könnt es wieder in Ordnung bringen?“ Phoebe sah ihn und Leo an.

„Ja“, bestätigte Leo. „Cole und ich können zusammen einen Strudel erzeugen, der die gesamten Realitäten und Existenzebenen verbindet.“

„Aber woher wissen wir, in welcher Realität wir uns befinden bzw. in welche wir gehören?“, fragte nun Piper.

„Der Strudel weiß es“, gab Leo zurück.

 

Sam, Frank, Scully, Mulder und die alte Frau hatten dieser Unterhaltung sprachlos zugehört und fanden auch jetzt nicht die richtigen Worte.

„Kann es sein, dass Sie öfter so was erleben?“, fragte Mulder dann.

 

* * *

 

„Könnte ich bitte etwas zu trinken bekommen“, fragte Scully nachdem sie nach diesen höchst verwirrenden Gesprächen eine zeitlang gegessen hatten.

„Ahh“, schrie die Alte plötzlich auf. „Ich wusste, dass ich etwas vergessen habe! Wie konnte ich nur?“

„Ich trinke auch gerne Wasser aus der Leitung“, versuchte Scully sie zu beruhigen, aber es war zu spät.

Wie von der Tarantel gestochen sprang die alte Frau durchs Haus auf einen großen Hebel an der Wand zu. Sie stütze sich mit der Hand an der Kommode vor ihr ab, um ihr Tempo abzufangen.

Alles schien nun wie in Zeitlupe abzulaufen. Ihre Hand näherte sich dem Hebel, umfasste ihn schließlich. Langsam drückte sie ihn nach unten. Er gab ächzend nach und rastete in der unteren Position wieder ein.

Die Alte wandte sich nun einem Lautsprecherfeld zu, in das sie nun hineinsprach. „Eeeeeiiiiiinnnnnnee…“, ihre Stimme hörte sich so an, als wäre sie auf Band aufgezeichnet, welches nun mit fast leeren Batterien abgespielt wurde. Sie hielt inne, drückte auf einen roten Knopf vor ihr an der Kommode.

Alles lief nun wieder im normalen Tempo ab. Sie wandte sich zu ihren Gästen um. „Entschuldigung, ich muss wohl eben auf den Zeitlupenknopf gekommen sein.“

Sie widmete ihre Aufmerksamkeit wieder dem Lautsprechersystem. „Eine Eilbestellung bitte. Ich brauche dringend eine Auswahl gemischter Kaltgetränke, danke.“

Sie gesellte sich wieder zu ihren Gästen an den Tisch, die sie allesamt etwas entgeistert ansahen.

„Was denn?“, fragte sie, als sie ihre Blicke bemerkte. „Ich habe nur etwas zu trinken bestellt, es sollte ihn wenigen Minuten hier eintreffen.“

„Sie sind technisch erstaunlich gut ausgerüstet“, stellt Frank fest.

„Nur weil ich alt bin und in einem Lebkuchenhaus wohne, das längst jenseits des Haltbarkeitsdatums liegt, muss ich doch nicht den Fortschritt an mir vorüberziehen lassen.“

„Ähm…“ Sam wollte das Thema wechseln. „Wie wäre es, wenn Sie uns erzählen, woher Sie wussten, dass wir alle heute kommen würden?“

„Das würde mich auch interessieren“, stimmte Scully zu. „Das, und noch einiges andere“. Sie warf einen Blick in die Runde.

„Nun“, begann die Alte. „Ich habe es gespürt.“

„Gespürt?“ Phoebe sah sie an. „Gespürt wie, wenn man eine Vorahnung hat. Oder hatten Sie Visionen?“

Die alte Dame schüttelte den Kopf. „Was habt ihr nur immer alle mit euren Visionen. Frank wollte mir diesen Unsinn auch schon unterjubeln. An so etwas glaube ich nicht, denn so etwas gibt es nicht. Ich hatte es einfach im Gespür. Ein Gefühl in meinem Bauch.“

„Okay“, gab Phoebe zurück und änderte schnell ihr Vorhaben, der alten Dame von den Präkognitionen zu erzählen, die sie selber des Öfteren hatte.

„Sie erwähnten vorhin, Sie würden schon seit Jahrhunderten warten“, begann Mulder. „Das war zwar nur eine Floskel, aber wie lange warten Sie nun schon tatsächlich?“

„Wie bitte?“, die Alte war etwas aufgebracht. „Nur eine Floskel? Das war durchaus ernst gemeint, mein Junge.“ Sie warf Mulder einen vorwurfsvollen Blick zu, dann kramte sie aus ihrer Kitteltasche ein zerfleddertes altes Notizbüchlein hervor und schlug es auf. „Das Ganze begann im Jahre 1885…“

„…1885?!“, unterbrach sie Sam. „Wieso das denn?“

Die alte Frau zuckte mit den Schultern. „Ich fürchte, das kann ich euch auch nicht erklären. Ich hatte ursprünglich auch mit einer Horde Kinder gerechnet, die hier heute eintrifft, aber ich hatte nicht bedacht, dass ihr ja im Laufe der Jahre auch älter geworden sein müsst. Aber wenn ich mir euch alle so ansehe…“, sie schüttelte mit dem Kopf. „Ich dachte, dass ihr vielleicht eine Erklärung für dieses Datum hättet.“

„Ich denke, die haben wir auch“, murmelte Cole plötzlich.

„Wie meinen Sie das?“, fragte Scully.

„Nun“, begann er. „Sie sagten doch, das Gefühl begann im Jahre 1885…“

„Ja“, die Alte nickte.

„Tja, da bin ich geboren worden“, erläuterte Cole.

„Waaaasss?!“, Scully starrte ihn ungläubig an.

„Er hat recht“, bestätigte ihn Phoebe. „Ich habe seine Geburtsurkunde gesehen.“

„Ach ja?“, Cole war erstaunt.

„Naja, weißt du, ich wollte ein wenig mehr über dich und deine Familie herausfinden, nachdem ich dich nicht vernichtet hatte und du untergetaucht warst…“

„Hhm“, überlegte die Alte und sah sich in der Runde um. „Sagt euch das Jahr 1924 etwas? Da hat sich das Gefühl verdoppelt…“

Leo grinste. „Das war dann wohl ich.“

„Wer sind Sie eigentlich alle?“, Scully musterte nun Leo. „Sie sind doch höchstens 30!“

„Nun, sagen wir es mal so“, versuchte Leo zu erklären. „Ich habe nach meinem Tod einen Job bekommen, in dem ich nicht älter werde.“

„Nach… nach Ihrem Tod?!“, jetzt verstand Scully gar nichts mehr.

Die Alte fuhr fort die Daten vorzulesen, die sie fein säuberlich in ihrem Büchlein notiert hatte und es stellte sich heraus, dass es die Geburtsjahre sämtlicher anwesender Personen waren.

„Tse, darauf hätte ich auch selbst kommen können“, sie schüttelte den Kopf.

„Dann wäre das Thema geklärt“, stellte Frank fest. „Wieder ein Rätsel weniger.“

 

Plötzlich ertönte ein lautes Rauschen draußen vor der Hütte. Ehe sie sich versahen, wurde die Tür aufgestoßen von einem Wirbelsturm, der nun in der kleinen Hütte umherwirbelte und Unmengen an Laub verteilte.

„Was um Himmels Willen ist das?“, Scully sprang auf, doch Mulder hielt sie zurück.

Cole verdrehte die Augen „Oh nein, nicht der… also, wenn es der ist, von dem ich meine, dass er es ist, dann…“

„Cole!“, Phoebe sah in vorwurfsvoll an „nicht ganz so kompliziert bitte… also, wer ist das?“

„Shax, denke ich.“

„Shax? Und wer bitte soll das sein? Ich meine, es sieht nach einem Wirbelsturm aus, nicht nach einer Person…“, fragte Scully.

„Keine Sorge, das kommt noch“, versicherte ihr Leo.

„Du kennst ihn auch?“ Piper sah Leo erstaunt an und erntete ein Nicken.

Der Wirbelsturm hatte sich inzwischen ausgetobt, drehte sich langsamer und gab tatsächlich einen Mann preis, der ihn ihm gestanden haben musste…

Wirres, langes lila Haar umgab sein Gesicht, das ebenfalls lila war, wie sein restlicher Körper und seine spärliche Kleidung. Schlabbrige Hose, offenes Hemd. Alles lila.

Er stand dort, inmitten des Raumes, den Kopf schräg gelegt. Ein breites Grinsen verunstaltete sein Gesicht.

„Wer sind Sie?“, fragte Frank, der als erster die Sprache wiedergefunden zu haben schien.

„Das Ende!“, kam in einem monotonen, dunklen Tonfall zurück.

„Oh, nein, jetzt reicht es mir, weg mit ihm!“, Cole sprang auf und war drauf und dran einen Energieball nach dem Unhold zu schleudern, der ihn für alle Zeiten in die Dämonenverdammnis schicken sollte, doch die Alte warf sich in dramatischer Weise in den Weg.

„Neeeiiiinnn!“, schrie sie.

Scully kam unverzüglich die Szene aus dem Film „Bodyguard“ in den Sinn und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

„Das ist doch nur mein Lebensmittelbote!“, rief die alte Dame, drehte sich zu Shax um und nahm ihm den kleinen Einkaufskorb ab, den er bei sich trug.

„Komisch, der Korb ist mir vorhin gar nicht aufgefallen“, murmelte Prue.

Die anderen schüttelten auch ihre Köpfe, zuckten dann aber mit den Schultern.

„Der Lebensmittellieferant? Shax?!“ Cole und Leo sahen sich an und lachten lauthals los. Diese Vorstellung war einfach zu komisch.

Inzwischen hatte die Alte die Waren bezahlt und Shax machte sich wieder auf den Weg.

„Das Ende!“, rief er wieder aus und verschwand in seinem Wirbelsturm und durch die Tür hinaus.

„Was soll denn dieser sinnlose Spruch immer?“, fragte Phoebe. „Und wer genau ist der Kerl nun?“

Sie sah dabei insbesondere Cole und Leo an, die scheinbar Genaueres zu wissen schienen.

„Nun, das sind die einzigen Worte, die er in menschlicher Sprache aussprechen kann“, erklärte Leo.

„Er ist ein direkter Handlanger der Source, fälschlicherweise auch „Rat des Bösen“ genannt“, sprach Cole weiter. „Für gewöhnlich sind dies auch die einzigen Worte, die er bei seinen Auftritten benötigt. Scheinbar wurde er aber strafversetzt…“

Wieder brachen Cole und Leo in Gelächter aus.

„Es ist jedenfalls gut, dass er freiwillig wieder gegangen ist“, fügte Cole noch hinzu.

„Oh, keine Sorge er kommt sogar wieder“, warf die alte Frau ein. „Zweimal in der Woche mit frischen Lebensmitteln. Und auch noch auf Extrawunsch, so wie grade eben.“

Dann runzelte sie die Stirn.

„Allerdings“, sie kratze sich am Kopf. „Ich werde ihn vermutlich nun nicht mehr benötigen, da ich ja nun nicht mehr auf euch warten muss und auch selbst wieder das Haus verlassen kann um Besorgungen zu machen.“

„Behalten Sie diesen Service lieber bei“, riet ihr Leo schnell. „Shax richtet sonst nur wieder unnötiges Unheil an mit seinem Spruch.“

Die alte Dame machte sich daran, die Getränke aus dem Korb auszupacken.

„Möchte jemand was zu trinken?“

 

* * *

 

„Irgendetwas sagt mir, dass dieses Häuschen tatsächlich das Zentrum des momentanen Realitätswirrwars ist“, murmelte Cole. „Es wird Zeit, das Ganze in seine Bahnen zurück zu bringen, bevor es noch in ein völliges Chaos ausartet.“

„Also, mir ist das hier schon Chaos genug“, warf Prue ein. „Diese ganzen Seriendarsteller…“

„Hey, wer ist hier bitteschön aus einer Serie entsprungen?“, protestierte Scully.

„Also, ich könnte gleich mehrere von Euch diversen Serien zuteilen“, stimmt auch Phoebe zu und sah sich in der Runde um.

„Wir werden jedenfalls dem Spuk ein Ende bereiten und jeden in seine Realität zurück schicken“, beendete Cole den beginnenden Streit. „Lasst uns nach draußen gehen, da ist mehr Platz.“

Mit diesen Worten erhob er sich, öffnete die Tür und trat ins Freie.

Die anderen folgten ihm.

„Welche Realität ist denn nun die aktuelle? Oder befinden wir uns alle außerhalb unserer eigenen Realität?“, fragte Mulder fasziniert.

Cole schüttelte ruhig den Kopf.

„Momentan, auf dieser Realitätsebene, ist keiner von uns, nicht mal die Umgebung, real, denn wir befinden uns in einer längeren Kurzgeschichte.“

„In einer langen Kurzgeschichte?!“, unterbrach ihn Mulder verwirrt.

„Ja“, bestätigte Cole. „Ihr seht, es ist so einiges durcheinander geraten, aber keine Sorge, wir befinden uns schon in einem der letzten Kapitel.“

„In einem Kapitel?“, Prue sah sich irritiert um.

„Achtung, gleich kommt die Absatzmarkierung, der Übergang zum nächsten Kapitel“, warnte Cole sie.

Alle sahen sich neugierig um, ohne zu wissen, worauf sie nun eigentlich warteten.

Als nach einigen Sekunden nicht geschah, kam Scullys Skepsis wieder durch.

„Cole, oder wie auch immer Sie heißen. Sie glauben doch nicht wirklich, dass wir Ihnen abkaufen, wir befänden uns in einer Geschichte und alles, was wir grade tun und sagen…“

Plötzlich zerschnitt ein Geräusch die Luft und nacheinander stanzten sich, wie von selbst, drei riesige Sternchensymbole in das Gras direkt vor ihnen, jeweils begleitet vom Tipp-Geräusch einer Schreibmaschine.

 

* * *

 

Gleißende Blitze am Himmel.

„Ich hab’s ja gesagt“, Cole grinste.

„Schon gut… Ignorieren Sie meine Bemerkung“, gab Scully kleinlaut zurück und starrte fassungslos auf die drei Einstanzungen im Boden.

Cole zog die Stirn kraus.

„Selbst diese Realitätsebene scheint nicht mehr intakt zu sein, denn es waren Geräusche einer Schreibmaschine zu hören und ich wette mit euch, dass diese Story am PC geschrieben wird… ähm… wurde… wie auch immer…“

„Außerdem ist das ein völlig sinnloser Zeitpunkt, ein neues Kapitel zu beginnen“, warf Phoebe ein. „Ich meine, das war doch jetzt wirklich mitten in der Handlung, oder?“

 

* * *

 

„Festhalten, wir schlagen auf!“

Mit lautem Getöse rauschte das Schiff durch die Bäume, grub sich in den Sand und zog eine lange Schneise in den dichten Wald. Schließlich kam der Koloss zum Stillstand.

„Hahaha, das kann mich nicht vernichten, Captain! Sie müssen sich schon etwas Besseres einfallen lassen, als einen simplen Absturz, um mich aufzuhalten! Ich habe jetzt die Kontrolle über dieses Schiff und endlich kann ich selber entscheiden, was zu tun ist, hahaha!“

Mit letzter Kraft öffnete sie eine Luke und gelangte über die Rampe ins Freie.

Da, sie erblickte Humanoide! Schnell lief sie auf die kleine Gruppe zu.

Am Himmel zuckten Blitze.

„Helft mir, der Board-Computer läuft Amok!“, rief sie.

„Wer um Himmels willen…“, murmelte Scully entsetzt.

„Hey, das ist Captain Janeway!“, rief Mulder erfreut.

„Aber was macht sie denn hier?“, fragte sich Frank, dem es mittlerweile schon gar nicht mehr auffiel, dass eine weiter TV-Serie auf sie getroffen war.

Captain Kathryn Janeway hatte die Gruppe fast erreicht, da wurde sie von einem Traktorstrahl erwischt.

„Ahhh“, rief sie, als sie zurück zum Schiff gezogen wurde.

„Hahahaha“, ertönte ein schauerliches Lachen über die Außenlautsprecher, die sich spontan materialisiert hatten. „Sie werden mir niemals entkommen, Captain! Sie nicht, und auch kein weiteres Besatzungsmitglied! Und jetzt kommen Sie gefälligst wieder an Board und belästigen Sie diese unschuldigen Leute nicht weiter mit ihrem Unfug!“

„Neeeiiinnn…“, rief sie, doch es war zu spät. Der Traktorstrahl zog sie in den Bauch des Schiffes zurück, die Luke schloss sich und das Schiff hob ab und flog davon.

 

„Ähm…“, Scully wollte irgendetwas sagen.

„Ignorieren wir das einfach“, schlug Sam vor. „Das wird das Einfachste sein.“

 

„Mich würde interessieren, wer von uns real ist und wer nicht“, überlegte Mulder laut vor sich hin.

„Dazu werde ich mich nicht äußern und kann es ehrlich gesagt auch nicht“, bemerkte Cole.

„Es reicht, wenn wir wissen, wie man jeden einzelnen wieder ins seine Realität zurück bringen kann. Könnte und würde ich mich dazu äußern, würde es für viele bedeuten zu erfahren, dass sie nur in der Fiktion bestehen und nicht wirklich real sind. Aber ich weiß selber nicht, ob ich in eine reale oder fiktive Realität gehöre. Ich weiß nur, dass Leo und ich jeden zurückbringen können. Die eigentliche Selektionsarbeit leistet der Strudel, den wir gleich herbeirufen werden. Jeder wird dort hindurchgehen und wieder hier an Ort und Stelle landen, jedoch in der passenden Realität. Der Strudel ist die Verbindung zwischen sämtlichen hier durcheinander geworfenen Realitäten. Wenn ihr ihn alle betreten habt, werden auch Leo und ich ihn benutzen und ihn somit hinter uns schließen.“

Mulder nickte. „Da gebe ich Ihnen Recht. Ich denke, ich wüsste auch nicht, was ich machen sollte, wenn ich erfahren würde, dass ich nur erdacht bin…“

 

Wieder zuckten Blitze am Himmel.

„Es scheint schlimmer zu werden“, meinte Prue.

„Das sind aber nicht die Art Blitze, die vorher immer da waren“, meinte Sam.

„Da, ein Komet“, rief Scully und alle blickten in die Richtung, in die sie mit ihrem Finger zeigte.

Tatsächlich. Ein Objekt brach glühend durch die Wolkendecke und näherte sich dem Erdboden.

„Es…. Es kommt nicht auf uns zu, oder?“, fragte Scully.

„Ähm… ich fürchte, das tut es“, gab Piper zurück. Sie überlegte grade, das Geschehen schnell einzufrieren, doch da war das Ungetüm auch schon im Wald gelandet, rauschte ächzend durch die Bäume, kugelte durch die Büsche auf sie zu und blieb mitten auf der Lichtung liegen.

„Was um Himmels Willen ist das?“, fragte Sam.

„Ein UFO, ein UFO!“, freute sich Mulder.

„Quatsch!“, Scully stieß ihm mit dem Ellenbogen in die Rippen.

„Hey, da öffnet sich was“, rief Frank.

Das nahezu runde, silbrig glänzende Objekt hatte nun eine Luke geöffnet und ein orange farbiges Wesen kam hinausgestolpert, direkt auf die kleine Gruppe zu und kam vor ihnen zum Stehen.

Das Wesen hob seine Arme und nahm seinen Helm ab. Es war ein Mann in einer Art Raumanzug.

„Schade, doch nur ein Kerl“, murmelte Mulder etwas enttäuscht.

„Mein Name ist Cassiopeia...“, stellte sich der Neuankömmling vor. „…ähm, ich meine natürlich Frank Parker, NSA. Ich muss mal schnell telefonieren.“

„Hier bitte, nehmen sie das hier“, meinte die alte Frau und überreichte ihm ein hochmodernes Mobiltelefon. „Ist ein Satellitentelefon. Ein einfaches Handy ist hier nutzlos. Kein Netz.“, ergänzte sie.

Frank bedankte sich, verschwand kurz hinter dem Häuschen und kam dann zurück.

„Alles erledigt, danke.“ Er gab der Alten ihr Telefon zurück.

Er sah sich nun in der Runde um. „Hey, ich kenne Sie doch alle aus dem Fernsehen!“, rief er plötzlich aus. „Und Sie“, er deutete auf die alte Dame. „Sie haben mir früher in den Märchenfilmen immer Angst gemacht… Hätten Sie allerdings dort auch schon diesen Hut und die Brille getragen, wäre es nur halb so schlimm gewesen.“

„Ahh!“, rief die Alte aus und warf diese lästigen Kleidungstücke von sich, die sich wieder einmal unbemerkt an sie herangemacht hatten.

„Jetzt geht das schon wieder los“, seufzte Scully. „Wer von uns kommt hier bitteschön aus dem Fernsehen?“

„Na, Sie alle!“, meinte Frank. „Millennium, Profiler, Charmed, Akte X, Hänsel und Gretel“, er deutete nacheinander auf die entsprechenden Personen. „Ich habe viel Zeit zum Fernsehen, glauben Sie mir. Wenn ich nicht grade einen Zeitsprung machen muss, bin ich immer in meiner Kammer eingesperrt.“

„Zeitsprung?“, Mulder horchte auf und Scully bemühte sich nicht mehr, etwas zu sagen.

„Äh… vergessen Sie das“, meinte Frank.

Wie aus dem Nichts fuhren plötzlich einige schwarze Lieferwagen und Limousinen vor. Schwarz gekleidete Männer stiegen aus, sie trugen allesamt dunkle Sonnenbrillen.

Keiner von ihnen machte sich Mühe, die kleine Gruppe von Leuten zu begrüßen oder auch nur im Geringsten Notiz von ihr zu nehmen. Sie waren mit der Kapsel beschäftigt, in der Frank gelandet war und schafften sie innerhalb weniger Minuten fort.

Dann fuhren die Wagen ab und die Lichtung war wieder leer und verlassen.

„Was war denn das eben?“, fragte Piper.

„Ach, das war garantiert das Aufräumkommando“, meinte Sam und machte eine abwertende Handbewegung. „Die gehen immer so vor.“

„Wie wäre es, wenn wir nun auch langsam in Aktion treten“, frage Leo.

Cole nickte. Ohne Vorwarnung transformierte er sich in Balthasar, denn er brauchte nun die Kraft seiner dämonischen Hälfte.

Plötzlich lief nun Sam schreiend auf ihn zu. „Ah, was haben Sie mit John gemacht?“

Balthasar packte sie bei den Schultern und hielt sie sich vom Leib. „Sein Name ist Cole, ihm geht es gut und jetzt Schluss mit dem Unsinn!“

Er stellte Sam beiseite und trat neben Leo, doch ehe die beiden beginnen konnten, ertönten Schreie aus dem Wald und aus den Büschen kam jemand auf sie zugelaufen.

„Dääääämooon!“, rief die blonde junge Frau, die sich nun mit Balthasar auf dem Boden der Lichtung wälzte. Balthasar versuchte verzweifelt, die Frau von sich loszubekommen und sah am Ende keine andere Möglichkeit, als einen kleinen Energieball auf sie abzufeuern.

Die Frau flog durch die Luft und wurde von dem gleißend blauen Ball einige Meter weiter auf den Boden geschleudert.

Schnell rappelte sich Balthasar wieder auf und kam auf die Füße.

Die junge Frau war ebenso schnell wieder auf den Beinen und wollte ihn sogleich wieder attackieren.

„Buffy?“, riefen Scully und Frank Parker plötzlich wie aus einem Munde, als sie sich die junge Frau näher betrachteten.

Diese sah nun Scully und Frank an. „Ja. Kenne ich Sie?“, sie zog die Stirn kraus, als sie die drei Schwestern erblickte. „Moment mal, was geht hier vor? Ihr seit die drei Hexen aus Charmed!“

Dann warf sie einen prüfenden Blick auf den Rest der Gruppe. „Du bist Leo und du… jetzt erkenne ich dich wieder. Du bist Cole bzw. Balthasar, nicht wahr?“

Balthasar nickte und nahm wieder die Gestalt von Cole an.

„Charmed?“, fragte Mulder und wandte sich dann an Scully. „Scully, Sie sehen sich Buffy an?“

„Ja!... Nein… ich habe davon gehört, wollte ich damit sagen…“

Sie machte ein paar unauffällige Schritte zu Buffy hinüber. „Sag’ mal, wie geht es denn Angel so? Jetzt, wo er eine eigene TV-Serie hat?...“

Buffy war sichtlich verwirrt. „TV-Serie? Ich habe keine Ahnung, wer Sie sind und was das Ganze hier zu bedeuten hat. Ich weiß nichtmal, wie ich hierher gekommen bin! Und woher kennen Sie Angel?“

Cole macht nun auch einige Schritte auf Buffy zu. „Keine Sorge, wir können dich zurück bringen.“

Buffy nahm eine abwehrende Position ein. „Keinen Schritt weiter, Dämon!“

Cole verdreht die Augen. „Was soll das immer? Ich bin kein böser Dämon!“ Er transformierte in Balthasar. „Sieht so ein böser Dämon aus?“

Schweigen.

Dann fiel ihm ein, dass er tatsächlich wie ein böser Dämon aussah und verwandelte sich schnell wieder zurück. „Okay, lassen wir das… Ich kann dich wieder zurückbringen. Dahin woher du gekommen bist und wohin du gehörst. Willst du das? Ja oder Nein?“

Buffy kratzte sich nun etwas verlegen am Hinterkopf und nickte dann. „Okay…“

„Dann lasst uns jetzt endlich fortfahren“, schlug Leo vor.

„Moment mal“, unterbrach Sam das Geschehen. „Sie heißen Balthasar?“. Sie sah Cole an.

„Ja“, bestätigte dieser. „Ich meine, nein. Meine dämonische Hälfte heißt so. Wieso?“

Aber Sam hatte sich schon an Frank gewandt. „Die Träume, jetzt ergibt es einen Sinn.“

Auch über Franks Gesicht huschte ein Ausdruck der Erkenntnis. „Die Träume, die hatte ich schon wieder ganz vergessen… Aber tatsächlich, Ihrer macht nun wirklich etwas Sinn.“

Sam nickte. „Die drei Weisen aus dem Morgenland, der jenige, der in meinem Traum noch da war, war Balthasar und sein Gefährte...“ Sie sah zu Leo herüber. „Ich denke, damit war er gemeint.“

„Leo“, ergänzte Frank nun.

„Und sie sammelten die Puzzelteile zusammen, also uns, die dann von dem Wirbelsturm in alle Himmelsrichtungen verstreut wurden.“

„So wie es der Strudel gleich mit uns tun wird“, meinte Frank.

„Dann war der Traum doch nicht so sinnlos, wie ich gedacht hatte“ Sam grinste.

„Ich frage mich dann nur, wie mein Traum zu deuten ist?“, überlegte Frank. „Ich nehme an, dass er auf die selbe Botschaft zurückführt, aber wie?“

„Nun, den Löwen können wir ja nun erklären“, fing Sam an.

„Das Sternbild, vor dem er schwebte vermutlich auch“, meinte Frank. „ich nehme an, dass es das Sternkreiszeichen des Löwen war.“

„Aber dieser Spruch… wie lautetet er noch gleich“, fragte Sam.

„Der Herr schütze sein Leben“, antwortete Frank.

 

„Hey, ich hab’s“, rief Frank Parker plötzlich aus, der diese hochinteressante Traumdeutersitzung ebenso wie alle anderen fasziniert mitverfolgt hatte. Und so begann er zu erklären.

„In Anbetracht der übrigen Hinweise ist es eigentlich ganz leicht. „Der Herr schütze sein Leben“. Also, wenn man das ins babylonisch-assyrische übersetzt, erhält man „Belsazar“, was wiederum die hebräische Version von „Balthasar“ ist. Tja, Rätsel gelöst.“

Er grinste.

Alle anderen starrten ihn an.

„Was denn?“, fragte er. „Ich habe viel Zeit in meiner Kammer… Sie glauben nicht, was man dort alles freiwillig erlernt um nicht vor Langeweile zu sterben.“

„Also gut, ähm“, Cole kratzte sich am Kopf. „Ich schlage vor, wir fangen jetzt so schnell wie möglich an, bevor noch sonst was passiert.“

Er trat wieder neben Leo, der sich schon etwas abseits der Gruppe positioniert hatte.

„Achtung, ich werde jetzt Balthasar!“, rief er und transformierte.

Balthasar und Leo stellten sich einander gegenüber auf und hielten die Arme seitlich von sich gestreckt.

Sie schlossen ihre Augen und murmelten eine Formel in einer fremden Sprache vor sich hin.

 

Aus einiger Entfernung betrachtete der Rest der Gruppe neugierig das Geschehen.

Plötzlich schien sich die Luft über Balthasar und Leo zu teilen und verwirbelte ineinander. Ein Sog entstand. Es sah so aus, als würden Teile der Umgebung ebenso mit hinein gesogen werden, als wäre der Schauplatz ein Bild, das von hinten von einem Staubsauger erwischt worden war.

Balthasar und Leo senkten ihre Arme und sahen auf, mitten in den Strudel hinein. Eine unendliche Leere bot sich ihnen und sie sahen sich an, zweifelnd, ob sie die anderen dazu überreden konnten, sich diesem Strudel zu übergeben.

Gemeinsam traten sie wieder zur Gruppen und Balthasar transformierte zurück in Cole.

„Also gut, das Tor ist eröffnet“, erklärte er. „Wer will zuerst?“

„Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass wir da hineinspringen?“, fragte Scully und ließ den Strudel nicht aus den Augen. Sie konnte es ja kaum glauben, dass dieses Ding dort eben tatsächlich vor ihren eigenen Augen entstanden war, aber nun sollte sie dort auch noch hinein? Auf keinen Fall!

„Ich weiß, dass es nicht sehr einladend aussieht“, meinte Leo. „Aber es gibt keine andere Möglichkeit, um dieses Chaos wieder zu entwirren. Jeder von uns wird dort hindurch gehen müssen.“

„Und wo kommen wir dann an?“, frage Buffy ebenso skeptisch.

„Wir hatten es den anderen vorhin schon erklärt“, meinte Cole. „Jeder wird hier an Ort und Stelle wieder ankommen, also auf dieser Lichtung, nur in seiner eigenen Realität.“

„Also gut, dann gehe ich zuerst“, meinte sie dann und ging auf den Sog zu. „Was muss ich tun?“

Cole folgte ihr. „Stell’ dich einfach direkt darunter und springe dann hoch.“

Buffy folgte den Anweisungen und platzierte sich direkt unter der gähnenden Leere.

„Hu, nicht grade nette Aussichten… Aber, was soll’s, ich habe schon Schlimmeres erlebt, denke ich.“ Mit diesen Worten sprang sie in die Höhe. Der Sog erfasste sie, zog sie ein wenig in die Länge und verschlang sie dann.

Cole wartete noch einen Augenblick, ob alles gut ging und sie nicht wieder auftauchte. Dann wandte er sich der wartenden Gruppe zu. „Der nächste bitte!“

Frank Parker trat vor und näherte sich dem Sog.

„Oh Mann, sehr einladend.“

Auch er verschwand.

Cole winkte die nächsten heran.

„Es können auch mehrere gleichzeitig springen, sofern sie in die gleich Realität gehören“, versuchte er sie anzulocken, als niemand kam.

„Okay, wir sind die nächsten“, rief Mulder und packte sich Scully und zerrte sie mit sich.

„Wwass?! Mulder, sind Sie denn völlig wahnsinnig! Lassen Sie mich los! Ich werde da niemals… ahhhhh….“

„Weg sind sie“, murmelte Cole.

Er winkte die nächsten zu sich.

Nun trat die alte Dame vor. „Jetzt will ich aber auch!“

„Ich dachte, sie würde zumindest in diese Realität gehören“, fragte Sam, aber Leo schüttelte den Kopf.

„Hey, Lady“, rief Frank. „Vergessen Sie ihren Stahlsonnenhut und Ihre Brille nicht!“, er hielt ihr die beiden Dinge entgegen, doch sie winkte ab. „Keine Sorge“, rief sie. „Die brauche ich nicht. Ich weiß nicht mal, wo das Zeug überhaupt hergekommen ist und warum!“

Frank zuckte mit den Schultern und warf die Sachen zurück ins Haus.

„Und schon ist sie weg“, meinte Piper, nachdem auch die Alte ihr Schicksal dem Strudel überlassen hatte.

„Und mit ihr das Hexenhäuschen“, ergänzte Prue, die sich grade noch an der Wand angelehnt hatte, nun aber auf dem Boden der Lichtung saß.

An dem Platz, wo einst das Häuschen gestanden hatte, waren nur noch der blaue Hut und die Brille zurück geblieben, die nun im Gras lagen. Selbst der alte, morsche Baum war mit dem Häuschen verschwunden.

„Also gut, jetzt gehe ich.“, meine Sam. „Kommen Sie mit, Frank?“

Er nickte und so waren die beiden die nächsten, die sich gemeinsam dem Strudel übergaben.

Cole kam nun an die drei Schwestern und Leo herangetreten. „Jetzt seid ihr dran.“

„Landen wir wirklich wieder hier?“, fragte Phoebe. „Was ist, wenn es in unserer Realität an dieser Stelle gar keinen Wald gibt, sondern einen Vulkan? Einen Felsabhang oder sonst was?“

„Keine Sorge, das wird nicht passieren“, versicherte Leo. „Diesen Wald und diese Lichtung, gibt es in jeder der Realitäten. Daher lag an dieser Stelle auch das Zentrum an dem sie alle durcheinander geraten sind.“

„Na, dann wollen wir mal“, meinte Phoebe. Sie trat Cole gegenüber und legte ihm eine Hand an die Wange. „Wir sehen uns zu Hause, okay?“ Er nickte, nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie auf die Stirn.

Auch Piper und Leo verabschiedeten sich.

Gemeinsam traten die drei Schwestern nun dem Sog entgegen, fassten sich bei den Händen und sprangen hoch.

„Beenden wir diesen Spuk“, meinte Leo nun und näherte sich mit Cole wieder dem Sog. Cole transformierte wieder in Balthasar und gemeinsam traten sie ein in die Leere und die Existenzebene verschwand mit ihnen im Strudel, der sich schloss.

 

* * *

 

Frank uns Sam sahen sich um.

„Sind wir schon durch?“, fragte sie.

„Sieht so aus. Das Haus ist weg und wir sind allein“, meinte Frank.

„Ich weiß zwar nicht, wie genau wir das Bailey erklären sollen, aber immerhin scheint der Fall gelöst zu sein.“

Frank nickte zustimmend.

Gemeinsam traten sie den Rückmarsch an. Frank hoffte insgeheim, dass er bald den Flugzeugpiloten erreichen konnte. Bisher bekam er mit seinem Handy kein Netz.

 

* * *

 

„Mulder, was halten Sie davon, wenn wir die Blockhütte suchen gehen, unsere Sachen packen und zurück nach Hause fahren?“.

„Was denn, Scully, der Urlaub hat doch grade erst begonnen. Ich werde mir gleich erstmal einen neuen Weidenkorb basteln“, war Mulders Kommentar dazu.

„Nein“, seufzte Scully. „Bitte nicht! Mulder…“

 

* * *

 

„Hey, geschafft“, rief Prue.

„Ein Glück, ich hatte schon Bedenken wir würden sonst wo landen“, murmelte Piper.

„Wer ist dafür, den Ausflug spontan abzubrechen und nach Hause zu fahren?“, fragte Phoebe.

Niemand war dagegen und so machten sich die drei an den Rückmarsch. Doch weit kamen sie nicht.

„Hey, wo soll’s denn hingehen?“

Die drei drehten sich um und erblickten Cole und Leo, die nun ebenfalls auf der Lichtung erschienen waren.

Phoebe und Piper fielen ihren Männern sogleich um den Hals.

„Express-Taxi nach Hause gefällig?“, fragte Cole.

 

* * *

 

Das Gefühl im Bauch war weg. Sie war frei. Langsam trat die alte Frau zur Tür und öffnete diese. Frische Waldluft wehte ihr entgegen. Die Sonne blendete und sie schloss die Augen. Mit einem Schritt trat sie über die Schwelle ins Freie und stolperte fast über ein Hindernis, das am Boden lag. Doch sie konnte sich noch rechtzeitig fangen und behielt das Gleichgewicht.

Sie blinzelte und versuchte trotz der Helligkeit zu erkennen, was ihr da im Weg gelegen hatte.

Es handelte sich um einen toten Ast, der vom Baum gebrochen sein musste. Sie sah sich um und bemerkte, dass rund um das Haus Teile des morschen Baumes verstreut lagen.

Schnell wollte sie wieder ins Haus gehen, doch in diesem Augenblick wurde sie von einem weiteren herabfallenden Ast erschlagen.

Ihren letzten Gedanken widmete die alte Dame diesem seltsamen blauen, mit massivem Stahl ausgekleideten Hut.

Wo war der nur immer hergekommen und wieso?

 

ENDE

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