Der
Schamane
(Eine Geschichte von
Stephanie Tallen)
Ich warne euch",
beteuerte der alte Schamane mit eindringlicher Stimme, es wird
großes Unheil über euch hereinbrechen, wenn ihr hier
bleibt. Der Zorn der Urahnen wird euch ereilen, früher ... oder
später." Alter Mann," unterbrach ihn Ben Henley,
der Anführer des weit gereisten Treks, wir geben nichts
auf Ihre alten Geistergeschichten. Ich versichere Ihnen, uns wird
schon nichts geschehen." Diese Worte zogen ein zustimmendes
Gemurmel seiner Leute nach sich. Ben wandte sich um und grinste ihnen
voller Zuversicht zu. Alle waren entschlossen hier zu bleiben. Er
wandte sich wieder dem Alten zu. Seien Sie unbesorgt und kehren
Sie zu Ihrem Stamm zurück."
Als das Stadtschild
schließlich in den Boden gerammt wurde, wusste der alte
Schamane, dass er hier nichts mehr tun konnte. Er hatte verloren.
Traurig beobachtete er die nun beginnende Feier, wandte sich dann um
und ging in Richtung Wüste. Als sich Ben kurz darauf nach ihm
umblickte, war der alte Indianer verschwunden.
***
200 Jahre später,
Washington, D. C., 1:12 Uhr.
Wir werden die Erde
besetzen und eurer jämmerlichen Existenz in diesem Universum ein
Ende setzen...", rief der Alien-Kommandant mit bedrohlich
echoverzerrter Stimme aus und lachte dann blechern. Der kleine Trupp
bewaffneter Militärs wich erschrocken zurück, ehe sie dann
schnell ihre Waffen in Anschlag nahmen. Wir werden nicht
zulassen, dass ihr euer Vorhaben durchsetzen könnt! Ihr seid des
Todes, hahaha!!!", rief der Kommandant des Trupps den gräßlichen
Invasoren entgegen und eröffnete sodann das Feuer.
Fahrt zur Hölle!",
schrie nun auch Mulder und feuerte seine Dienstwaffe ab. Es ertönte
nur ein metallisches Klicken, als der Bolzen vorschnellte. Das
Magazin war leer. Mulder feuerte wie in Trance weiter.
Plötzlich klingelte
das Telefon.
Entnervt griff Mulder zum
Hörer. Mulder", murmelte er kurz. Guten Abend,
Mulder", flötete Scully in heiterem Ton. Ehe sie jedoch
fortfahren konnte, fuhr Mulder dazwischen. Scully, wissen Sie
eigentlich, was Sie getan haben?! Sie haben die beste Szene des Films
unterbrochen, die ganze Atmosphäre ist dahin!" Er seufzte.
Am anderen Ende der Leitung konnte Scully sich das Lachen kaum noch
verkneifen. Sie wusste, dass Mulder sich heute seiner beliebten
Science-Fiction-Night verschrieben hatte. Mulder, ich wollte
nur sichergehen, dass Sie sich nicht wieder so sehr in die Sache
hineinsteigern... Sie wissen doch noch, was letztes Mal passiert
ist...?" Keine Angst, Scully, ich weiß schon, was
ich tue." Mulders Stimmung hatte sich wieder gehoben. War
das der einzige Grund, weshalb Sie angerufen haben?" Nein,
ich wollte Ihnen zudem noch eine gute Nacht wünschen."
Gute Nacht, Scully", und mit einem Lächeln fügte
er hinzu: Sie können froh sein, dass ich diesen Film schon
seit Jahren auf Video habe!" Mit diesen Worten legte er grinsend
auf.
***
Dichte Nebelschwaden
verschleierten den Blick auf die breite Hauptstraße, die sich
schnurgerade durch die nunmehr nicht mehr ganz so kleine
Gründungsstadt zog. Seitdem die ersten Siedler das Stadtschild
an diesem Ort einst in den unberührten Boden rammten, hatte sich
die Stadt prächtig entfaltet. Die Einwohner bildeten auch heute
noch eine große Familie und die Geschäfts- und
Handelsbeziehungen nach außerhalb blühten. Doch heute lag
ein Schatten über der kleinen Stadt. Ein Schatten, der die Stadt
und ihre Einwohner zu verschlingen drohte.
Besorgt blickte Denzel
Houston nun an diesem Morgen die Hauptstraße entlang; der Nebel
behinderte seine Sicht, doch er wusste, dass weit und breit niemand
auf der Straße zugegen war. Nicht, seitdem diese furchtbaren
Ereignisse dieses verschlafene Nest heimsuchten. Mit dem Nebel
kommt der Tod", sagte man sich hier, doch Sheriff Houston wollte
diesem Humbug keinen Glauben schenken. Es musste eine rationale
Erklärung dieser Vorfälle geben, jemand war verantwortlich
und Denzel wollte diesen jemand fassen, egal, ob es sich um einen
Auswärtigen handelte oder um einen Ortsansässigen. Die
unerklärlichen Todesfälle mussten aufgeklärt und
gestoppt werden. Sheriff Houston seufzte und ging zurück in sein
Amtszimmer. Schwer ließ er sich in seinen Stuhl fallen. Es
vergingen einige Minuten ehe sich sein Blick klärte und er zum
Telefonhörer griff. Entschlossen wählte er die Nummer, die
ihm ein Bekannter eines Freundes gegeben hatte...
***
Als Scully am Morgen
Mulders kleines Büro im Keller des FBI-Hauptquartiers betrat,
fühlte sie die Präsenz des leibhaftigen Bösen. Ein
Schauer lief ihr über den Rücken und sie verharrte kurz in
der Bewegung noch einen weiteren Schritt zu gehen und damit die
Schwelle zu Mulders Büro endgültig zu übertreten. Doch
dann bemerkte sie Mulders bösen Blick, der starr auf ihr
haftete. Sofort überspielte sie ihr Zögern mit gekonnter
Lässigkeit und begrüßte ihren Partner fröhlich:
Guten Morgen, Mulder. Haben Sie auch gut geschlafen?"
Sehr witzig.", entgegnete er und die gewohnte Sanftheit
kehrte in seine Augen zurück. Sie können wirklich von
Glück sagen, dass ich den Film bereits auf Video habe, ansonsten
würden ich jetzt nicht so milde gestimmt sein..." Mulder,
soll das etwa eine Drohung sein?", fragte Scully forsch und sah
ihrem Partner erwartungsvoll ins Gesicht. Es ist lediglich eine
kleine Warnung meinerseits", entgegnete ihr Mulder, für
das nächste Mal..."
Na, wenn das so
ist..." Scully sah sich im Raum um. Also, wie lautet unser
nächster Fall?" Was wissen Sie über Schamanen,
Scully?", fragte Mulder. Scully blickte sichtlich verwirrt.
Schamanen? Was bitte haben Schamanen mit unserem Fall zu tun?!"
Warten Sie ab, Scully. Was wissen Sie über sie?",
beharrte Mulder. Nun,", Scully ahnte bereits
Schreckliches. Was war das nun wieder für ein abstruser Fall,
den Mulder wieder ausgegraben hatte... als Schamanen werden die
Medizinmänner der Indianer bezeichnet. Sie sind zumeist sehr alt
und haben einen reichen Erfahrungsschatz, was die Krankenheilung
betrifft. Unter anderem werden ihnen übernatürliche Kräfte
und Eigenschaften nachgesagt." Bravo, Sie haben Ihre
Hausaufgaben gemacht! Dann steht uns nun nichts mehr im Wege um
unseren Fall in Angriff zu nehmen." Mit diesen Worten war er
auch schon aufgesprungen und durch die Tür verschwunden. Warten
Sie, Mulder!", rief ihm Scully hinterher, Was für ein
Fall?" Kopfschüttelnd folgte sie ihm hinaus auf den Flur zu
den Fahrstühlen. Kommen Sie, Scully.", rief ihr
Mulder zu, während er die Fahrstuhltüren aufhielt. Unser
Flug geht in einer Stunde." Flug?", Scully war es nun
endgültig genug. Mulder, was für ein Flug? Wohin? Und
woran arbeiten wir überhaupt gerade? Woran arbeiten Sie?"
Scully schnaubte.
***
In der Ferne vernahm sie
leises Trommeln. Sie hatte Angst. Dieser Nebel, er schien immer
dichter zu werden, sie wusste nicht mehr, in welcher Richtung ihr
Haus lag. Sie war wie von einem undurchdringlichen weißen
Schleier umhüllt, der ihr keinen Ausweg gewährte. Langsam
tastete sich Sally Edwards vorwärts. Schritt für Schritt.
Sie spürte die sandige Straße unter ihren Sohlen, doch
sehen konnte sie sie nicht. Ihre Haare, ihre Haut und ihre Kleidung,
alles war von einem glänzenden Nässefilm umgeben; sie fror.
Hallo?", fragte sie vorsichtig in den Nebel hinein. Ist
da jemand?" Keine Antwort. Nur das leise Trommeln in der Ferne.
Plötzlich huschte ein
Flüstern wie ein Windzug an ihr vorüber. Sally stockte der
Atem. H-hallo?", fragte sie erneut, doch wieder bekam sie
keine Antwort.
Da, wieder das Flüstern
und Wispern. Es kam näher, wurde lauter und huschte an ihr
vorüber, zurück in das weiße Nichts aus dem es
gekommen war. Wer ist da?", rief Sally nun etwas lauter
und eine Spur Panik lag in ihrer Stimme.
Plötzlich verstummten
die Trommeln. Es war totenstill. Kein Wind regte sich, der Gesang der
Grillen und Vögel war verstummt, kein Laut war zu hören.
Reglos verharrte Sally auf der Stelle und sah angestrengt in den
Nebel hinein. Mit einem Mal kehrte das Flüstern zurück und
Sally sah in die Richtung aus der es kam. Etwas hatte sich verändert,
ein dunkler Unterton lag in dem Flüstern und Sally bekam es nun
endgültig mit der Angst zu tun. Sie wollte weglaufen, doch sie
konnte nicht. Bewegungslos starrte sie weiter in den Nebel hinein und
das Flüstern kam näher, wurde lauter, schwoll an zu einem
einzigen schrillen Schrei, in welchem Sallys Schreie ungehört
untergingen. Sally sah es auf sich zukommen, wollte fliehen, doch es
war bereits zu spät. Das einzige, was ihr noch blieb, waren ihre
Schreie. Sie schloss die Augen. Das Flüstern war überall...
***
Ein
Indianerfluch?", Scully war fassungslos. Das konnte doch nicht
wirklich der Fall
sein, an dem sie nun die nächste Zeit würde arbeiten
müssen. Nun, das ist meine
Theorie, Scully.", meinte Mulder, Die Fakten lassen in
meinen Augen keinen anderen Schluss zu und die Vorgeschichte war auch
mehr als hilfreich um mir zu dieser Theorie die nötigen Beweise
zu liefern..." Vorgeschichte?", fragte Scully
dazwischen. Ja, in meinen alten Unterlagen habe ich Material
gefunden, dass fast 200 Jahre zurück reicht. Darin ist unter
anderem festgehalten, dass schon zu Gründungszeiten der Stadt
ein alter Indianer die ersten Siedler davor gewarnt haben soll an
diesem Ort die Stadt zu errichten. Seitdem kursiert die Legende von
den Geistern der Urahnen, welche sich irgendwann aus Zorn erheben und
Rache üben werden an denen, die es wagten ihr geheiligtes Land
zu entweihen." Das hört sich in meinen Ohren ziemlich
theatralisch an, Mulder.", konterte Scully. Es wird sich
schon noch eine angemessene Erklärung für die Vorfälle
finden und ich werde dazu beitragen alles logisch aufzudecken."
Mulder zuckte nur kurz mit den Schultern. Für ihn war die Sache
bereits geklärt und er brannte darauf die Auslebung eines
Jahrhunderte alten Fluches mit eigenen Augen zu sehen.
Während Mulder sich
seinen Phantasien ergab, schlug Scully erneut die Unterlagen auf, um
sich schnell einen groben Überblick zu verschaffen.
In den letzten Wochen hatte
es in New Home" mehrere Todesfälle gegeben. Alle
waren bisher ungeklärt geblieben. Weder war die genaue
Todesursache, noch der Tathergang bekannt. Es gab nicht einmal
Verdächtige. Die Vorfälle schienen ein einziges Rätsel
zu sein, doch Scully nahm sich vor Licht in die Angelegenheit zu
bringen. Es konnte nicht schwer sein zumindest die Todesursachen
festzustellen. Alles weitere würde sich schon im Laufe der
Ermittlungen ergeben...hoffte sie. Sie lehnte sich zurück und
genoss den Rest des Fluges.
***
Die Stadt war in heller
Aufruhr und Sheriff Houston hatte alle Hände damit zu tun, die
Leute vor einer beginnenden Massenhysterie zu bewahren. Leute,
beruhigt euch!", rief er und hob beschwichtigend die Hände.
Er stand vor seinem Sheriffdepartment und versuchte vergeblich, den
Menschenauflauf zu zerstreuen, der sich vor seiner Amtsstube
angesammelt hatte. Die Leute wollten Erklärungen, sie hatten
Angst und waren gereizt. Wann unternehmen Sie endlich etwas
gegen diese Morde?", kam es aus der Masse heraus. Ich
arbeite bereits rund um die Uhr, Leute..." Das reicht aber
nicht...", warf jemand dazwischen und sogleich stimmten die
anderen in ein zustimmendes Geheul ein. Leute, Ruhe!",
rief Houston nun und erhob seine Stimme um die Leute zu übertönen.
Ich habe bereits Hilfe von außerhalb angefordert..."
Und die ist soeben angekommen.", warf ein Mann dazwischen.
Die Leute verstummten und blickten sich neugierig um. Auch Sheriff
Houston blickte suchend über die Menge, da entdeckte er sie.
Etwas abseits standen ein dunkelhaariger Mann und eine rothaarige
Frau. Weder den einen noch die andere hatte Sheriff Houston je zuvor
gesehen. Das mussten sie sein. Er winkte ihnen zu; sie sollten
nähertreten. Leute, macht mal Platz!", rief er der
Menge zu, die sich daraufhin gehorsam teilte und Scully und Mulder
einen Weg zum Sheriff gewährte. Auf halbem Weg zückten sie
ihre Ausweise. FBI - Agent Mulder und Scully", stellte
Scully sich und ihren Partner routiniert vor. Was ist denn hier
los?", fragte Mulder hingegen und ließ seinen Blick über
den Menschenauflauf schweifen. Es hat einen weiteren Todesfall
gegeben.", erklärte Sheriff Houston, Aber, kommen Sie
doch bitter herein. Ich erkläre ihnen dann alles weitere."
Im
Inneren des departments war die Luft klimatisiert und bot einen
spürbaren Kontrast zu der staubig trockenen Luft draußen.
Scully und Mulder setzten sich auf die Stühle, die Sheriff
Houston ihnen anbot, nachdem sie sich begrüßt hatten.
Also", begann Scully, was haben Sie für uns?"
Nun", begann Houston und räusperte sich. Es fiel im
sichtlich schwer mit Außenstehenden über dieses Anliegen
zu sprechen für dessen Klärung er zuständig war. Doch
es war sein Entschluss gewesen und er fuhr fort: Seit einigen
Wochen - um genau zu sein, seit dem 200jährigen Jubiläum
unserer Stadt - häufen sich hier merkwürdige Todesfälle
und Ereignisse, die sich bisher nicht hinreichend aufklären
ließen. Wir haben hier niemals Schwierigkeiten mit ähnlichen
Vorfällen gehabt, selbst unsere Verbrechensrate ist
verschwindend gering und eine Mordrate existierte bis vor wenigen
Wochen so gut wie nicht. Ich kann mir das Ganze einfach nicht
erklären..." Und da haben sie mich angerufen.",
folgerte Mulder. Der Sheriff nickte stumm. Der Freund eines
Bekannten ist Sheriff in Cawker City und er gab mir Ihre Nummer. Er
erzählte mir von dem Fall, den Sie vor knapp einem Jahr in
seiner Stadt gelöst haben und da dachte ich mir, dass Sie mir
nun vielleicht ebenfalls helfen könnten." Wir werden
unser Bestes tun.", versicherte Mulder. Sie erwähnten
neben den Todesfällen noch andere unerklärliche
Ereignisse...?" Nun, ich weiß nicht, ob sie so
unerklärlich sind, jedenfalls sind sie sehr ungewöhnlich.
Zum einen gibt es hier von Zeit zu Zeit dichte Nebelbänke, in
denen man die Hand vor Augen nicht sehen kann. Niemand wagt es dann,
einen Schritt aus dem Haus zu tun...", Sheriff Houston zögerte
kurz ehe er fortfuhr Nun, man sagt sich hier mit dem Nebel käme
der Tod." Scully wollte gerade Einspruch erheben, doch Houston
ließ sich nicht unterbrechen. Ich weiß, dass ist
nur dummer Aberglaube, aber...vergleicht man die Todesfälle mit
dem Auftreten einer solchen Nebelbank, dann haben die Leute recht;
jedesmal, nachdem sich der Nebel wieder verzogen hatte, wurde eine
weitere Leiche gefunden." Er zuckte ratlos die Achseln. Aber,
um noch auf weitere Ereignisse zu kommen, mir liegen mehrere Aussagen
vor, in denen die Leute leise Trommelgeräusche gehört haben
wollen, sowie unmenschliche Schreie und leises Flüstern und
Wispern. Mir ist klar, dass sich dies alles für sie nach einer
Massenhysterie anhören muss, aber ich bürge für meine
Leute und vertraue ihnen." Das ist uns klar, Sheriff
Houston.", warf Scully ein Doch meinen Sie nicht, dass die
Leute aufgrund der ungeklärten Todesfälle leicht zu
Übertreibungen - ob nun bewusst oder unbewusst - neigen?"
Sheriff Houston seufze nur. Ich weiß es wirklich nicht,
Agent Scully. Könnten wir uns die Leichen ansehen?",
fragte Mulder schnell, um auf ein anderes Thema zu kommen.
Natürlich, kommen Sie mit.", meinte Houston und
führte die beiden Agenten aus seinem Amtszimmer durch ein
kleines Hinterzimmer hinein in eine relativ große Halle. Neun
der in die Wände eingelassenen Kühlboxen waren geschlossen
und Houston öffnete nun jede einzelne von ihnen. Für
Ihre geringe Verbrechensrate sind Sie wirklich gut ausgestattet",
bemerkte Mulder und sah sich um. Wir teilen uns diese Halle mit
drei weiteren Städten in der Umgebung. Aber sie ist dennoch
selten in Gebrauch. Doch nun...", Houston wies auf die Leichen.
Das sind die bisherigen Opfer, drei Frauen, sechs Männer.
Das letzte Opfer war Sally Edwards.", sagte Houston und zog die
auf Rollen gelegene Bahre hervor. Sie wurde auf offener Straße
in diesem Zustand gefunden." Scully schlug das Leichentuch
beiseite und blickte in das schreckensverzerrte Gesicht einer jungen
Frau. Mund und Augen waren weit aufgerissen, es schien fast so, als
steckte in der Kehle noch immer ein lautloser Schrei. Scully
schauderte. Wurden die anderen Opfer obduziert?", fragte
sie. Ja, aber es wurde nichts gefunden, was auf eine mögliche
Todesursache hätte schließen können.",
antwortete Houston. Ich möchte an dieser Leiche selbst
eine Autopsie vornehmen.", Scully deutete auf das jüngste
Opfer. Ich brauche zudem die Berichte der anderen Autopsien und
die Erlaubnis, selbst noch Untersuchungen an den anderen Opfern
durchzuführen." Die Erlaubnis haben Sie", meinte
Houston und die Berichte erhalten Sie so schnell wie möglich."
Danke." Wollen sie gleich anfangen, Scully?",
fragte Mulder. Scully nickte und tauschte bereits ihren Mantel gegen
einen weißen Arztkittel. Gut, ich sehe dann später
wieder bei Ihnen vorbei und befrage währenddessen die Leute
hier.", meinte Mulder und wandte sich zum Gehen. Sheriff Houston
folgte ihm.
***
Was halten sie von
der Theorie, dass es sich bei all diesen Vorfällen um die
Erfüllung eine alten Indianerfluches handelt?", fragte
Mulder als er Scully außer Hörweite wusste. Verdutzt
blickte Houston Mulder an. Wie kommen Sie auf so etwas?"
Nun", entgegnete Mulder ich kenne die Vorgeschichte
ihrer kleinen Stadt. Ich habe Dokumente, die bis zu 200 Jahre weit
zurück reichen." Sie kennen also die Legende um die
Gründung dieser Stadt.", stellt Houston fest. Nun,
ich weiß nicht, wie hoch der Wahrheitsgehalt dieser Erzählung
ist, Agent Mulder, aber meinen Sie nicht, dass es sich nicht doch um
etwas anderes handelt?" Das versuchen wir herauszufinden,
aber die Indizien würden meine Theorie bisher bekräftigen...
aber nun zurück zur Beweissuche. Haben die Opfer irgendwelche
Gemeinsamkeiten?" Houston schüttelte den Kopf. Keine
offensichtlichen zumindest.", fügte er dann hinzu. Gab
es denn irgendwelche Zeugen oder Anhaltspunkte von Seiten der
Angehörigen? Ich brauche etwas um die Spur aufzunehmen."
Zeugen sind mir bis jetzt noch immer keine bekannt und ich
glaube, es gibt wirklich keine. Von den Angehörigen und
Bekannten konnte ich auch nichts in Erfahrung bringen, dass uns in
diesem Fall weiterhelfen könnte." Nun, vielleicht
haben Sie nicht die richtigen Fragen gestellt, Sheriff", gab
Mulder zu bedenken und grinste. Sie können es gerne noch
einmal versuchen, Agent Mulder", gab Houston zurück.
Hierin finden Sie unter anderem auch die Adressen der Opfer",
fügte er hinzu und übergab Mulder ein dünnes
Aktenbündel, welches bei diesem Fall bisher zusammengekommen
war. Mulder machte sich sodann auf den Weg.
***
Mit dem Ärmel ihres
Kittels wischte sich Scully die Haare aus der Stirn. Die Autopsie war
wirklich umfangreicher, als sie angenommen hatte. So sehr sie auch
suchte, sie hatte beim besten Willen nichts finden können, was
plausibel genug war um eine Todesursache hätte sein zu können.
Woran nur war diese Frau gestorben? Scully wusste es nicht. Den noch
immer stark verkrampften Gliedmaßen und dem verzerrten
Gesichtsausdruck zu urteilen, hätte sie auf Herzversagen
getippt, doch selbst das war ausgeschlossen. Das Herz dieser Frau war
gesünder als manch anderes und hatte keinesfalls versagt.
Fieberhaft arbeitete Scully weiter. Sie suchte den Körper nach
Nadeleinstichen ab, nahm verschiedene Blut- und Gewebsproben für
spätere toxikologische Tests und unterzog sämtliche Organe
nochmals einer eingehenden Untersuchung.
***
Ja?", fragte der
Mann, der nun in der geöffneten Tür stand und Mulder
fragend anblickte. Er sah niedergeschlagen und erschöpft aus,
als habe er die letzte Nacht kaum geschlafen. Mulder wusste, dass er
sehr behutsam vorgehen musste. Mr. Edwards?", fragte er
sanft. Ja.", gab dieser kurz zurück. Ich bin
Special Agent Fox Mulder vom FBI", begann er und zeigte Mr.
Edwards seinen Ausweis, ich würde mich gerne mit ihnen
über ihre Frau unterhalten..." Meine Frau ist tot.",
unterbrach ihn Edwards und Tränden standen in seinen Augen, Ich
habe Sheriff Houston bereits alles gesagt, was ich weiß."
Mr. Edwards, ich brauche jeden Anhaltpunkt, den ich bekommen
kann um diese Sache aufzuklären. Ich will ihnen helfen."
Mulders Stimme war ruhig, doch sie war nicht ohne Eindringlichkeit."
Traurig blickte Mr. Edwards Mulder an. Schließlich trat er
einen Schritt beiseite und bedeutete Mulder einzutreten. Mr. Edward
geleitete Mulder ins kleine Wohnzimmer und sie setzten sich. Erst
jetzt bemerkte Mulder, dass sie nicht alleine waren. In einer Ecke
des Zimmers vor dem Fenster saß noch eine alte Frau in einem
Schaukelstuhl. Geistesabwesend blickte sie hinaus auf die Straße.
Edwards hatte Mulders Blick bemerkt. Das ist Sallys Mutter",
erklärte er. Sie lebt seit drei Jahren bei uns im Haus.
Ich glaube aber nicht, dass sie Ihnen mehr helfen kann als ich."
Mulder nickte kurz und richtete seine Aufmerksamkeit wieder dem Fall
zu. Mr. Edwards", begann er, ich vermute, ihre Frau
hatte keine Feinde und es gab auch sonst niemanden, der ihr Schaden
hätte zufügen wollen?" Nein, aber das habe ich
Sheriff Houston bereits alles gesagt." Ich weiß,",
bestätigte Mulder, deshalb werde ich ihnen nun einige
etwas andere Fragen stellen und ich möchte Sie bitten, sie so
gut es geht zu beantworten." Edwards blickte leicht verwirrt,
doch nach kurzer Überlegung nickte er. Also gut, stellen
Sie Ihre Fragen, Agent Mulder." Nun", Mulder
räusperte sich, hat Ihre Frau in letzter Zeit von
merkwürdigen Vorfällen berichtet? Hörte sie vielleicht
Stimmen, Geflüster oder dergleichen?" Was ist denn
das für eine Frage?", wollte Mr. Edwards wissen und in
seiner Stimme lag Entrüstung. Wollen Sie andeuten, meine
Frau sei geistesgestört gewesen und starb an einer
Wahnvorstellung?" Nein, nein", Mulder hob
beschwichtigend die Hände. Mr. Edwards, bitte beruhigen
Sie sich doch. Ich verfolge lediglich meine Theorie, die ich zu
diesem Fall habe und brauche nun entsprechende Anhaltspunkte. Bitte,
würden Sie die Frage beantworten?" Ich weiß
nichts von solchen Vorfällen.", meinte Edwards schließlich
nach kurzem misstrauischen Zögern. Ist Ihnen vielleicht
etwas Ungewöhliches aufgefallen?", hakte Mulder nach,
Vielleicht im Haus oder außerhalb? Irgendetwas?"
Nein, nicht, dass ich wüsste." Nun, wenn das so
ist, dann vielen Dank für ihre Hilfe, Mr. Edwards", Mulder
stand auf. Ich gebe Ihnen meine Karte für den Fall, dass
Ihnen doch noch etwas einfällt..." Die Trommeln
machten ihr Angst." Mulder wandte sich um. Die alte Frau hatte
sich aus ihrem Schaukelstuhl erhoben und kam nun langsam auf die
beiden Männer zu. Sie ergriff Mulders Arm. Sie hörte
sie." Mulders Interesse war geweckt und er geleitete die Frau
zum Sofa. Bitte, Mrs. ..." Pearson.." Mrs.
Pearson, bitte, was wissen Sie?", fragte Mulder und in seiner
Stimme lag Aufregung. Der Jagdinstinkt hatte ihn gepackt.
***
Scully,
Scully!" Mulder stürmte in die Halle und stockte. Er zog
eine Grimasse aufgrund des Geruchs und näherte sich dann langsam
seiner noch immer emsig arbeitenden Partnerin. Scully schaute kurz
auf. Haben Sie
wenigstens etwas gefunden?", fragte sie resigniert. Sie
offenbar nicht.", gab Mulder zurück. Scully legte nur den
Kopf schief und zuckte mit den Achseln. Ich konnte nichts
finden. Allerdings sind die Ergebnisse der toxikologischen
Untersuchung noch nicht da, aber ich bezweifle, dass diese sehr viel
aufschlussreicher sein werden als das hier." Und sie deutete
dabei auf die Leiche vor sich und den Stapel Untersuchungsberichte
der anderen Opfer. Ich habe mir selber noch einige der anderen
Leichen angesehen, doch die Autopsien waren alle mehr als gründlich.
Nichts." Nun, dann wird es Sie sicherlich freuen zu hören,
dass ich derweilen auf etwas gestoßen bin." Mulder wedelte
mit einigen Ausdrucken, die er gemacht hatte. Wissen Sie, wo
der Sheriff ist?" Vor knapp einer halben Stunde kam er
hier herein und sagte, er müsse in einer anderen Angelegenheit
noch etwas erledigen.", antwortete Scully. Nun, dann
erfährt er es später." Mulder begann, auf einem
sauberen Sektionstisch seine Ausdrucke auszubreiten. Wo sind
Sie denn gewesen, Mulder?" Scully beobachtete ihren Partner
neugierig. Ich habe die Angehörigen der Opfer befragt und
habe schließlich von Sally Edwards Mutter einige entscheidende
Hinweise bekommen. Daraufhin habe ich im hiesigen Einwohnermeldeamt
die Daten der Opfer durchforstet und siehe da..." er machte eine
ausschweifende Handbewegung in Richtung der ausgebreiteten Papiere,
alle Opfer sind in direkter Linie Nachfahren der Ursiedler."
Und?", fragte Scully, als Mulder dem nichts mehr
hinzufügte. Er schaute sie daraufhin erstaunt an. Begreifen
Sie denn nicht?", fragte er. Der Fluch begrenzt sich
scheinbar auf direkte Nachfahren der Ursiedler..." Mulder,
nun fangen Sie nicht wieder mit ihrer Theorie über den
Indianerfluch an.", stöhnte Scully, Was genau haben
Sie denn von Sally Edwards Mutter erfahren?", fragte sie dann
skeptisch. Nun, ich fragte Mr. Edwards nach ungewöhnlichen
Vorkommnissen und als er sich an nichts erinnern konnte erzählte
sie mir von merkwürdigen Dingen." Und die wären?",
fragte Scully dazwischen. Sie berichtete von Trommelgeräuschen,
die Sally hörte, von Flüstergeräuschen und ähnlichen
Dingen. Sie fürchtet, das der Fluch sich erfüllen würde
und auch sie in Gefahr sei." Scheinbar wissen ziemlich
viele Leute hier von diesem Fluch und nun versucht jemand ihn auf
eigene Faust in Erfüllung zu setzen.", spekulierte Scully.
Ich werde selbst noch einmal mit den Angehörigen sprechen.
Vielleicht werden dann weitere Gemeinsamkeiten sichtbar."
Scully, Sheriff Houston hat von diesen Leuten nichts in
Erfahrung bringen können und auch ich habe es heute zunächst
auf die alt hergebrachte Ermittlungsmethode versucht, doch es hat
sich wieder nichts ergeben. Es gibt keine weiteren Gemeinsamkeiten",
dann fügte er hinzu. Aber Sie können es gerne
versuchen, Scully." Das werde ich!", sagte sie
bestimmt. Sie glauben also nicht, dass an der Aussage von Mrs.
Pearson etwas dran ist?" Scully schüttelte den Kopf.
Mulder, diese Frau hat gerade ihre Tochter verloren, sie ist
verwirrt und verzweifelt. Sie sucht nach einer Erklärung. Durch
ihre Suggestivfragen an Mr. Edwards bot sich ihr eine ideale
Möglichkeit." Sie glauben also, die alte Frau hat das
alles nur erfunden?" Ja, genau das denke ich, Mulder."
Aber diese detaillierten Angaben?", gab Mulder zu
bedenken, Was ist mit der Spur, auf die sie mich brachte? Wieso
hatte sie dann recht mit dem, was sie mir sagte?" Mulder..."
Doch er ließ sich nicht unterbrechen. Das können
doch keine Zufälle gewesen sein, Scully. Solche Zufälle
gibt es nicht." Scully seufzte, sie wusste, dass sie Mulder
nicht würde überzeugen können. Mulder warf einen Blick
auf seine Armbanduhr. Es ist schon spät. Ich schlage vor,
dass wir ins Hotel gehen und morgen früh gleich anfangen."
Scully nickte, dann zog sie die Stirn in Falten. Hotel?"
Ja, hier direkt in der Stadt.", gab Mulder zurück.
Ich habe mich vorhin darum gekümmert und zwei Zimmer
reserviert."
Gemeinsam verließen
sie die Halle und das Sheriffdepartment, hinterließen Sheriff
Houston eine Nachricht und machten sich auf den Weg zum Hotel.
***
Tiefe Dunkelheit lag über
der kleinen Stadt. Der Himmel war sternenklar und eine kühle
Brise vertrieb die angestaute Hitze des Tages. Sie stand am Fenster
und sah hinaus auf die menschenleere Straße, alles lag
friedlich in den Armen der Nacht. Ein Lufthauch wehte durch das
geöffnete Fenster und bauschte leicht die Gardinen auf. Gerade
wandte sie sich ab und wollte zu Bett gehen, da hörte sie es.
Sie drehte sich um und blickte zurück auf die Straße. Das
Geräusch war noch da, doch die Ursache war nicht auszumachen. Es
klang wie ein leises Flüstern, nahe und dann wieder weiter
entfernt; es schien fast so, als würde es auf dem Wind reiten.
Eine erneute Brise wehte ins kleine Zimmer und plötzlich war das
Flüstern bei ihr. Hastig wandte sie sich um und blickte in die
Dunkelheit des Zimmers hinein, doch außer den Konturen der
Möbel war nichts zu erkennen. Vorsichtig tat sie zwei Schritte
in die Mitte des Raumes. Das Flüstern umgab sie nun, drehte
seine Bahnen mit dem Wind um sie und verschwand so plötzlich wie
es gekommen war durch das offene Fenster. Verwirrt stand sie im Raum
und versuchte das eben Erlebte zu verarbeiten, doch es fiel ihr
schwer es einzuordnen. Langsam näherte sie sich wieder dem
Fenster und schaute hinaus. Alles war wieder still und unberührt,
so als wäre nichts gewesen. Hatte sie sich alles nur
eingebildet? Sie schloss das Fenster und zog die Gardinen vor. Ihr
Blick fiel auf die Digitalanzeige des Radioweckers und sie konnte ein
Gähnen nicht unterdrücken. Es war schon spät geworden
und Scully ging nun endlich zu Bett.
Nebenan schlief Mulder und
hatte einen seltsamen Traum. Er stand alleine in einer scheinbar
endlosen Wüste, die Sonne brannte und weit und breit war nichts
zu sehen außer Sand. Plötzlich stand ein alter Indianer
vor ihm, er war wie aus dem Nichts aufgetaucht. Hüte dich
vor den Urahnen. Ihre Geister sind bösartig.", flüsterte
er wie aus weiter Ferne. Können wir sie aufhalten?",
fragte Mulder. Findet ihren Verbündeten und..." Ein
lautes Krachen ließ Mulder aus dem Schlaf aufschrecken.
Verwirrt sah er sich im Zimmer um, doch alles war ruhig nur das
Rascheln der Gardinen war zu hören, die sich im Wind bewegten.
Langsam, keinen Laut erzeugend erhob sich Mulder aus dem Bett und
schlich zum Fenster. Durch einen Spalt der Gardinen spähte er
hinunter auf die Straße. Nichts. Verwirrt sah er hinter sich in
den Raum und wieder zurück auf die Straße, doch nirgends
sah er etwas Ungewöhnliches. Mit Zeigefinger und Daumen rieb er
sich die Augen, dann legte er sich zurück ins Bett. Sofort fiel
er wieder in tiefen Schlaf.
***
Der nächste Morgen war
klar und sonnig. Um acht Uhr früh trafen sich Scully und Mulder
zum gemeinsamen Frühstück in einem kleinen Café
gegenüber des Hotels. Gerade war Scully dabei eine
Vorgehensweise in diesem Fall aufzustellen, als sie plötzlich
abbrach. Mulder, hören Sie mir überhaupt zu?",
fragte sie und sah ihren Partner erwartungsvoll an. Doch Mulder
reagierte nicht auf ihre Frage und blickte weiterhin verträumt
ins Nichts. Mulder!" Scully wedelte mit einer Hand vor
seinem Gesicht auf und ab. Mulder zuckte zusammen und sein Blick
klärte sich. Hhmm?... Entschuldigen Sie, was haben Sie
gesagt?", fragte er dann leicht irritiert. Scully legte ihren
Kopf schief und zog eine Grimasse. Mulder, was ist los? Was
beschäftigt Sie?" Ach, es ist nichts... Nur..."
Was nur"?", hakte sie nach. Letzte Nacht
im Hotel...", fuhr Mulder fort. Ich hatte da so einen
merkwürdigen Traum, der mir gerade wieder eingefallen ist."
Scullys Stirn zog sich in Falten. Ich hatte auch eine seltsame
Begegnung.", murmelte sie dann nach kurzem Zögern. Mulder
setzte sich auf und blickte seiner Partnerin interessiert ins
Gesicht. Erzählen Sie schon, Scully." Nun, es
war eigentlich nichts Besonderes und vermutlich war es nur der
Wind..." Was?", stocherte Mulder. Nun, es hörte
sich an, als wäre da etwas Lebendiges in dem Wind, es flüsterte
und war plötzlich in meinem Hotelzimmer." Ja, und
weiter?" Nichts weiter. Dann verschwand es wieder durchs
Fenster. Aber ich sage Ihnen Mulder, es war sicher nur der Wind oder
Geräusche von der Straße." Mulder nickte. Vielleicht
aber", begann er war es genau das, was die Leute hier
gehört haben wollen." Scully nickte zustimmend. Sie
hörten alle nur ein Schauspiel des Windes. Nichts Ungewöhnliches
also." Schließlich fuhr sie fort: Worum ging es denn
in Ihrem Traum, Mulder?" Genau weiß ich das selbst
nicht. Ich weiß nur noch, dass ich mitten in der Wüste
stand und ein alter Indianer plötzlich vor mir auftauchte. Er
sagte, die Geister der Ahnen seien bösartig und man müsse
sie aufhalten." Scully hatte so etwas schon geahnt und seufzte.
Sagte er zufällig auch, wie wir sie aufhalten sollen?"
Er sagte, wir müssen ihren Verbündeten finden. Dann
bin ich aufgewacht von einem lauten Krachen.", endete Mulder.
Ich habe nichts gehört.", meinte Scully. Ich
konnte auch keine Ursache des Geräusches feststellen. Vermutlich
gehörte es zu dem Traum, obwohl ich das eher für
zweifelhaft halte." Und was meinen Sie, sollen wir jetzt
unternehmen?", fragte Scully. Nun, finden wir den
Verbündeten der alten Geister.", schlug Mulder vor. Sie
glauben doch nicht im Ernst, dass Ihr Traum mehr war als nur ein
Spiel Ihrer Phantasie, Mulder?" Warum denn nicht? Ich
kenne sehr viele Fälle, in denen Träume die Lösung zu
Problemen beisteuerten. Vielleicht hat tatsächlich der alte
Schamane von damals mit mir Kontakt aufgenommen um uns zu helfen.",
spekulierte Mulder. Scully schüttelte entrüstet den Kopf.
Wir halten uns an konventionelle Ermittlungsmethoden, Mulder.
Glauben Sie mir, dadurch kommen wir leichter zu einer plausiblen
Erklärung dieser Vorfälle." Plausibel
vielleicht.", konterte Mulder, Die Frage bleibt aber, ob
diese Erklärungen dann auch wirklich den Tatsachen entsprechen."
Nachdem sie ihr Frühstück
beendet hatten, machten sich Scully und Mulder auf den Weg zum
Sheriffdepartment.
***
Und Sie glauben
wirklich, dass an der Sache mit dem Fluch etwas dran ist?",
fragte Sheriff Houston ungläubig, nachdem er Mulders Bericht
gehört und seine Ausdrucke eingehend begutachtet hatte. Nein",
gab Scully mit bestimmtem Tonfall zurück. Ja", sagte
Mulder im selben Moment. Leicht verwirrt blickte Houston zwischen den
beiden Agenten hin und her. Nun, wie dem auch sei", sagte
er dann, wir werden jeder Spur nachgehen. Und so wie es
aussieht, scheint das hier bisher die einzige zu sein.", er wies
auf die Ausdrucke der Abstammungsurkunden. Scully stöhnte
innerlich, das konnte doch wohl nicht wahr sein! Mulder bemerkte
ihren fassungslosen Blick. Scully, ich behaupte ja nicht, dass
dies die einzige Lösung zu diesem Fall ist, aber sollte diese
Theorie zutreffen, wären alle direkten Nachfahren in Gefahr. Nun
haben wir endlich die Möglichkeit, überhaupt etwas zu tun,
um diese Menschen zu retten." Vielleicht haben wir das,
Mulder. Vielleicht." Und mit diesen Worten rauschte sie auch
schon zur Tür heraus.
Die folgenden Stunden waren
die drei nun damit beschäftigt sämtliche Daten der Bürger
durchzugehen auf der Suche nach direkten Nachfahren der Ursiedler. Da
die Daten nur auf Mikrofilm und nicht im Computer gespeichert waren,
gab es eine Menge zu tun.
Nach knapp drei Stunden
hatten sie sämtliche Akten durchforstet und waren auf 64 Leute
gestoßen, die direkte Nachfahren der ersten Siedler waren und
auch heute noch in der Stadt wohnten. Nun, vierundsechzig Leute
zu bewachen dürfte zu einem Problem werden", meinte Sheriff
Houston auf dem Weg zu seinem department. Es sei denn, sie
wären alle an einem Ort versammelt", schlug Mulder vor,
Das dürfte die Angelegenheit ein wenig übersichtlicher
gestalten." Die Stadthalle wäre groß genug.",
meinte Houston. Führen wir also ein paar Telefonate.",
meinte Scully. In Ordnung. Sie beide gehen in die Stadthalle,
ich werde von meinem Büro aus telefonieren." Hier,
die ersten zwanzig Namen", Mulder überreichte ihm den
ersten Teil einer ausgedruckten Liste auf der Namen, Adressen als
auch Telefonnummern angegeben waren. Ich komme zu ihnen, sobald
ich fertig bin", und mit diesen Worten verabschiedete sich
Houston von Scully und Mulder und lief in Richtung Sheriffdepartment.
Die Zeit drängte und niemand von ihnen konnte sagen, wie viel
ihnen noch blieb, bis der nächste Mord sich ereignen würde.
Scully und Mulder machten
sich auf den Weg zur Stadthalle und arbeiteten ihre Listen durch.
***
Ein Rauschen erfüllte
den Raum; ein Wispern und Flüstern. Es hüllte ihn ein,
umnebelte seine Gedanken und seinen Verstand. Dann sah er sie vor
sich: die Gesichter uralter Indianer. Eine gewaltige Flut von
Emotionen ging von ihnen aus und sie fühlten alle dasselbe:
Hass. Der Hass nahm ihn ein, verschlang ihn und machte ihn zu einem
Teil seines Selbst. Langsam schritt er in die Mitte des Raumes und
kniete nieder. Dann zog er den Teppich beiseite und nahm drei lose
Bodendielen auf. Aus dem geheimen Versteck nahm er ein kleines
Säckchen, das mit einem grünen Pulver gefüllt war. Er
richtete die Dielen und den Teppich wieder her, erhob sich und
verließ wie in Trance das Haus. Auf der Straße erschienen
dichte Nebelschwaden wie aus dem Nichts um ihn herum. Zielstrebig
setzte er seinen Weg fort. Er war zu einem Werkzeug uralten Hasses
geworden und es gab nichts, dass ihn nun hätte aufhalten können.
***
Scully vertrat sich ein
wenig die Beine und ging in der Halle auf und ab. Ein Großteil
der Leute hatte sich schon eingefunden und stand und saß nun in
kleinen Gruppen beisammen. Alle waren beunruhigt über die
Ereignisse und über die Tatsache, dass sie als potentiell
Gefährdete galten. Scully hatte ihren Teil der Liste nun fast
geschafft. Mulder war schon vor einer Viertelstunde fertig gewesen.
Sie ließ ihre Blicke durch den Raum gleiten. Schließlich
entdeckte sie ihren Partner. Mulder saß in einer Ecke der
großen Halle und hatte es sich bequem gemacht. Den Stuhl leicht
zurückgelehnt, die Füße auf dem kleinen Tisch und das
Kinn auf die Brust gelegt. Er schlief. Scully schüttelte den
Kopf und grinste, bevor sie sich ihrem nächsten Anruf widmete.
***
Das Telefon klingelte.
Richard Venton eilte zum Hörer. Ja?" Mr.
Venton?", fragte eine Frauenstimme. Ja, der bin ich.",
bestätigte er. Richard Venton?", fragte die Frau
weiter. Ja. Ich bin Richard Venton. Wer sind Sie, wenn ich
fragen darf?" Er war leicht verwirrt. Ich bin Agent Scully
vom FBI.", stellte sich Scully vor. Ach, Sie sind eine von
den beiden Agenten, die Sheriff Houston angefordert hat?",
fragte Mr. Venton dazwischen. Ja.", bestätigte Scully
und wollte fortfahren, doch Mr. Venton kam ihr zuvor. Nun, das
ist aufregend. Ich habe noch nie einen Anruf vom FBI bekommen. Was
kann ich denn für Sie tun, Agent Scully? Ich werde doch
hoffentlich nicht verdächtigt, oder?" Er lachte. Nein,
nein, Mr. Venton, Sie werden nicht verdächtig. Ganz im
Gegenteil. Ich möchte Sie nicht beunruhigen, aber möglicherweise
befinden Sie sich in Lebensgefahr..." In Lebensgefahr?
Ich? Das kann doch gar nicht sein. Ich glaube, Sie irren sich, Agent
Scully." Mr. Venton, bitte kommen Sie umgehend in die
Stadthalle, dort erfahren Sie und die anderen weitere Informationen."
Mr. Venton schwieg. Mr. Venton, sind Sie noch dran?" Ja,
ich bin noch da. Und Sie meinen es wirklich ernst?" Besorgnis
lag in seiner Stimme. Ich fürchte ja", entgegnete
Scully. Bitte kommen Sie sofort in die Stadthalle. Haben Sie
das verstanden?"
***
Finde den
Verbündeten, mein Sohn. Finde ihn und beschütze ihn. Er..."
Mulder schreckte hoch. Wieder hatte ein lautes Krachen es verhindert,
dass er diesen eigenartigen Traum zu ende träumte. Und auch
dieses Mal war keine Ursache für dieses Geräusch ausfindig
zu machen. Irgendjemand oder irgendetwas wollte verhindern, dass er
die Botschaft dieses Traumes in voller Gänze erfuhr. Aber wer
oder was? Was war es, dass der alte Schamane ihm versuchte
mitzuteilen? Mulder hatte auf keine dieser Fragen eine Antwort.
Verwirrt blickte er sich um. Dann realisierte er, wo er war und
konnte es nicht glauben, dass er tatsächlich eingeschlafen war.
Schnell stand er auf und streckte sich und machte sich auf den Weg um
Scully von dem Traum zu erzählen. Er entdeckte Sie am anderen
Ende der Halle, sie war noch immer am Telefonieren. Langsam
schlenderte er zu ihr herüber und kam an mehreren Fenstern
vorbei. Wie gelähmt blieb er plötzlich stehen und wandte
sich dann einem der Fenster zu. Draußen hatte bereits die
Dämmerung eingesetzt, doch das war nicht alles, was er sah.
Scully!", nun
rannte er auf seine Partnerin zu. Scully blickte verwirrt auf Einen
Augenblick bitte, Mr. Venton.", dann hielt sie eine Hand über
die Sprechmuschel. Was ist denn los, Mulder?" Sehen
Sie, Scully. Sehen Sie aus dem Fenster!" Was denn?"
Der Nebel. Es zieht eine Nebelwand auf." Mulder, Sie
wollen sich doch nun nicht auch noch auf diesen alten Aberglauben
stützen, oder?" Scully, jedesmal nachdem die
Nebelbank sich wieder verzog, wurde eine weitere Leiche gefunden,
vergessen Sie dass nicht", drängte Mulder. Scully blickte
ihrem Partner in die Augen, dann seufzte Sie Schon gut, in
Ordnung." Dann nahm sie die Hand wieder von der Muschel. Mr.
Venton, sind Sie noch dran? Bitte verlassen Sie nicht das Haus."....
Mr. Venton? Mr. Venton, was ist da los?" Mulder blickte
auf. Scully überreichte ihm den Hörer. Mulder hörte
die Schreie eines Mannes. Kommen Sie, Scully! Vielleicht ist es
noch nicht zu spät!"
***
Er hatte seinen Auftrag für
heute erfüllt. Das Haus war markiert und bot dem Unheil nun
Einlass. Die Geister begannen ihr grausiges Werk. Langsam wandte er
sich um, der Nebel verschlang ihn und nahm ihn in sich auf.
***
Der Nebel wird immer
dichter.", bemerkte Mulder, als die beiden durch die Straßen
rannten, auf dem Weg zu Mr. Ventons Haus. Wie kann sich denn so
schnell eine solche Nebelbank aufbauen, Mulder?" Ich habe
keine Erklärung, Scully.", keuchte Mulder und hastete
weiter. Es fiel den beiden immer schwerer die Orientierung zu
behalten. Hey, wer...?" Scully blickte in das Gesicht
eines fremden Mannes, der plötzlich wie aus dem Nichts aus dem
Nebel vor ihr aufgetaucht war. Scully, was ist los?",
wollte Mulder wissen, nachdem er Scullys kurzen Ausruf gehört
hatte. Warten Sie!", forderte sie den Mann auf, der sich
von ihr abgewandt und langsam weitergegangen war. Was?",
Mulder verstand kein Wort. Nicht Sie, Mulder! Der Mann."
Welcher Mann?" Er... er stand plötzlich vor
mir, aber jetzt ist er weg." Scully blickte sich suchend um,
doch außer Nebel war nichts und niemand zu sehen. Verwirrt
schüttelte sie den Kopf. Wir müssen weiter.",
sagte sie dann. Ich glaube, hier vorne ist es", meinte
Mulder und lief auf ein Haus zu. Er drückte mehrmals auf die
Klingel, doch niemand machte auf. Plötzlich hörten sie
einen weiteren Schrei, der definitiv aus diesem Haus kam. Mulder nahm
Anlauf und trat mit einem kräftigen Tritt die Tür ein.
Sofort stürmten die beiden durch die Wohnung. Mr. Venton?
Wo sind Sie?" Hier ist das FBI!", rief Mulder.
Mulder!", rief Scully plötzlich als Mulder gerade
durch das Wohnzimmer in die Küche gehen wollte. Noch hatte er
nichts gefunden, weder eine Spur eines Verbrechens, noch Mr. Venton
selbst. Schnell lief er zu seiner Partnerin, die sich auf der
hinteren Veranda befand. Ein Mann lag vor ihr am Boden, ähnlich
zugerichtet wie all die Opfer zuvor. Mr. Venton?", fragte
Mulder und blickte auf den Leichnam. Scully nickte. Vermutlich.
Der Tod ist erst vor wenigen Minuten eingetreten. Wenn wir ein wenig
früher gekommen wären..." Vielleicht, Scully,
vielleicht. Aber das wissen wir nicht." Scheinbar hat er
versucht zu fliehen und hätte es auch fast geschafft",
vermutete Scully in Anbetracht der offenen Verandatür und der
Lage der Leiche. Ich benachrichtige den Sheriff", meinte
Mulder.
Eine halbe Stunde später
war der Tatort abgeriegelt und die Spurensuche konnte beginnen. Da
Mr. Venton mit Ihnen telefoniert hatte, als er angegriffen wurde,
muss der Täter entweder schon im Haus gewesen sein, oder sich
gewaltsam Zugang verschafft haben", schloss Sheriff Houston,
nachdem er Scullys und Mulders Bericht gehört hatte.
Vermutlich", stimmte Mulder zu, andererseits..."
Mulder", warf Scully warnend ein, bitte keiner
Geistergeschichten." Mulder zuckte mit den Schultern und wandte
sich um. Schweigend betrachtete er die Haustür. Einbruchspuren
waren nicht zu entdecken, jedoch könnte er sie durch sein
gewaltsames Eindringen unkenntlich gemacht haben. Gerade wollte er
sich einem anderen Teil des Hauses zuwenden, als etwas seine
Aufmerksamkeit erregte. Er kniete nieder und betrachtete eingehend
die Türschwelle. Vorsichtig strich er mit dem Finger über
das Holz. Feinste Stäubchen eines grünen Pulvers hafteten
an seiner Fingerkuppe. Schnell zog er ein kleines Plastiktütchen
aus seinem Jackett hervor und gab so viel wie möglich seines
Fundes hinein. Vielleicht hatten sie jetzt DEN Hinweis gefunden, der
ihnen zu ihren laufenden Ermittlungen noch gefehlt hatte. Was
haben Sie gefunden, Mulder?", fragte Scully, die sich zu ihm
gesellt hatte. Vielleicht nichts, vielleicht alles.",
antwortete Mulder geheimnisvoll und übergab ihr das kleine
Tütchen mit dem grünen Pulver. Was ist das für
ein Zeug?", fragte Scully, nachdem sie sich den Inhalt des
Tütchens betrachtet hatte. Genau das möchte ich von
Ihnen wissen, Scully.", gab Mulder zurück. Ich
möchte, dass Sie das Zeug für mich analysieren."
***
Am nächsten Morgen
machte sich Scully sofort daran, das Pulver zu analysieren, das
Mulder am Tatort gefunden hatte. Während sie die mikroskopische
Analyse vorbereitete, schilderte er ihr seinem Traum. Durch die
gestrige Aufregung hatte er völlig vergessen ihr davon zu
erzählen.
Wir sollen ihn also
beschützen?", Scully blickte ihren Partner ungläubig
an, während sie eine kleine Probe des grünen Pulvers
entnahm und auf einen Objektträger auftrug. Das war es,
was der alte Indianer sagte", bestätigte Mulder. Mulder,
falls es wirklich diesen Verbündeten geben sollte, dann müssen
wir ihn verhaften und nicht beschützen. Diese Person ist
Mittäter an diesen Morden und gehört hinter Gitter."
Das ist mir klar", gab Mulder zu, aber da war noch
etwas , was der alte Indianer mir über ihn sagen wollte. Doch
ich bin wieder aufgewacht." Scully seufzte. Mulder, Sie
können nicht darauf warten, dass ein Traum diesen Fall aufklärt.
Und überhaupt, wer sagt, dass an diesen Phantasien überhaupt
etwas dran ist?" Sie gab einen Tropfen Wasser hinzu und fixierte
alles durch ein Deckgläschen. Ich kann nicht beweisen,
dass der Traum mehr ist als nur ein Traum", meinte Mulder, doch
sollten wir nicht vorsichtshalber jedem Hinweis nachgehen, Scully?
Die Hinweise Mrs. Pearsons haben sich doch auch bewahrheitet; der
Fluch - oder was auch immer - beschränkte sich auch diesmal auf
einen Nachfahren der Ursiedler." Scully sah durch ein Mikroskop
und studierte eingehend die Probe des grünen Pulvers. Dann sah
sie auf. In Ordnung, Mulder. Da es auch hier keine Zeugen oder
andere Hinweise als dieses Zeug hier gibt, versuchen wir diesen
Verbündeten zu finden. Aber sollten wir...", sie stockte.
Dann sah sie Mulder in die Augen. Mulder, vielleicht gibt es
diesmal doch einen Zeugen." Mulders Mine hellte sich auf. Auch
er wusste, wen Scully meinte. Scully beendete ihre Analyse des
Pulvers, die nichts weiter ergab, als dass es sich dabei um eine
Mischung aus verschiedenen Kräutern handelte, und machte sich
dann mit ihrem Partner auf die Suche. Vielleicht konnte Sheriff
Houston ihnen helfen.
***
Nein, das ist er auch
nicht.", murmelte Scully und betrachtete beiläufig ein Bild
eines Mannes, das gerade über den Computerbildschirm flackerte.
Dank Sheriff Houston hatten die beiden Ermittler nun Zugang zu den
Personaldateien der Einwohner. Glücklicherweise waren diese
bereits digitalisiert und per Computer abrufbar. Sind Sie
sicher, Scully? Es war schließlich dunkel und dank des Nebels
war kaum die Hand vor Augen zu erkennen." Natürlich
bin ich mir sicher, Mulder", gab sie zurück, Er lief
doch nahezu in mich hinein. Glauben Sie mir, ich weiß noch
genau, wie das Gesicht des Mannes ausgesehen hat." Mulder
seufzte, dies war bereits die x-te Datei, die sie sich ansahen und
noch immer hatten sie keine Spur gefunden, die sie zu diesem
mysteriösen Mann führen konnte. Er drückte die
Enter-Taste und das nächste Bild baute sich auf. Wieder nichts.
Nach weiteren sechs Dateien setzte sich Scully plötzlich auf.
Gerade vervollständigte sich ein Bild eines weiteren Mannes.
Das ist er, Mulder! Das ist der Mann aus dem Nebel."
Schnell druckte Mulder die Daten des Mannes aus und sie machten sich
auf den Weg. Hoffentlich gelang es ihnen diesmal, etwas Brauchbares
herauszufinden.
***
Hört mal her,
Leute!", Sheriff Houston hatte sich in die Mitte der Stadthalle
gestellt und war nun von dreiundsechzig Menschen umgeben, die nur
vage Vorstellungen von dem hatten, was eigentlich vorging und warum
ausgerechnet sie hier waren. Er musste und wollte sie nun aufklären.
Warum sind wir hier, Sheriff?" Wie lange soll das
noch so weitergehen?" Was wissen Sie über den Tod von
Bill Venton?" All diese Fragen und noch mehr kamen aus der Menge
und Houston hatte Schwierigkeiten, die Leute zur Ruhe zu bewegen.
Leute, ich werde auf all eure Fragen antworten, aber bitte
alles der Reihe nach. Ich werde euch alles erklären. Zunächst
einmal seid ihr hier, weil ihr offensichtlich in Lebensgefahr
schwebt. Nach der Theorie des FBIs handelt es sich bei diesen
Mordfällen um die Erfüllung des alten Indianerfluches."
Sie meinen die Legende von damals?", kam es aus der Menge.
Genau diese Legende meine ich.", bestätigte Houston,
Es scheint tatsächlich so auszusehen, als würde sich
diese Theorie bestätigen. Zwar wissen wir nicht, ob es nun
tatsächlich der Fluch ist, der sich erfüllt, oder ob jemand
ganz gewaltig nachhilft, aber das werden wir auch noch
herausbekommen. Ihr werdet bis dahin hier bleiben, denn alle auf
einem Haufen seid ihr sicherer als jeder alleine in seinem Haus. Ich
werde den Großteil meiner Jungs hier abstellen und sollte einem
von euch etwas Ungewöhnliches auffallen, meldet es bitte
sofort." Sheriff Houston sah in die Runde. Das wär's
fürs erste, Leute. Wenn es keine Fragen gibt, gehe ich wieder an
die Arbeit. Und ich sage euch, wenn uns unsere derzeitige Spur nicht
in eine Sackgasse führt, sind wir sehr nah an der Lösung
dran." Gehen Sie, Houston! Stoppen Sie die Morde!"
Die Leute feuerten ihn an als er ging und das gab ihm die Hoffnung
und das feste Vorhaben, diesen Fall nun endlich zu Ende zu führen.
***
Kyle Simmons?",
fragte Mulder den jungen Mann Mitte zwanzig, der ihnen die Tür
öffnete. Ja. Was kann ich für Sie tun?" Wir
sind vom FBI. Special Agent Fox Mulder und Dana Scully", stellte
Mulder sie beide kurz vor. Dürfen wir kurz hereinkommen,
Mr. Simmons?", fragte Scully. Wir möchten ihnen nur
ein paar Fragen stellen." Natürlich.", erwiderte
Kyle; kommen Sie herein.
Also, womit kann ich
Ihnen helfen?", fragte Kyle, nachdem sie sich gesetzt hatten.
Mulder und Scully tauschten kurz die Blicke, ehe Scully begann. Wir
würden gerne von ihnen wissen, wie sie zu den bisherigen Opfern
gestanden haben. Kannten Sie sie oder haben Sie vielleicht sogar
etwas gehört oder gesehen, das uns möglicherweise
weiterhelfen könnte?" Gesehen und gehört habe
ich nichts, aber ich kannte jeden von ihnen", antwortete Kyle.
Zwar kannte ich sie nicht alle persönlich, aber doch
zumindest vom Sehen." Sind Sie sicher, dass sie nicht doch
etwas gesehen haben?", hakte Scully nach, Vielleicht zum
Mord von Mr. Venton gestern?" Nein, wirklich nicht",
bestätigte Kyle. Ich habe nichts gesehen. Ansonsten wüsste
Sheriff Houston doch auch schon längst davon." Wo
waren Sie gestern gegen acht Uhr dreißig?", fragte Mulder
unvermittelt dazwischen. Ich war...", Kyle stockte. Er zog
die Stirn kraus. Ich war...", begann er wieder, doch auch
diesmal stockte er. Ich... ich weiß es nicht mehr.",
gab er schließlich verstört zurück. Aber wie...
das kann doch gar nicht sein!" Wissen Sie denn noch, was
sie gemacht haben, als Sally Edwards ermordet wurde?", fragte
Mulder. Nach längerem Überlegen schüttelte Kyle
langsam den Kopf. Er war völlig verstört und realisierte
gar nicht, dass er verdächtigt wurde und Mulder ihn nach und
nach zu jedem Mordfall befragte.
Als die beiden Ermittler
das Haus wieder verließen, hinterließen sie einen völlig
verstörten Mann, der mehr mit sich selbst beschäftigt war,
als zu begreifen, dass er nun zu den Hauptverdächtigten in
diesem Fall galt, um nicht zu sagen zu dem einzigen Verdächtigen.
Was halten Sie von
der Sache, Mulder?", fragte Scully ihren Partner. Ich
denke, er sagt die Wahrheit, Scully. Diese Verstörtheit ist
nicht gespielt. Der Junge weiß scheinbar wirklich nicht, was er
zu den jeweiligen Tatzeiten getan hat." Ich würde
trotzdem vorschlagen ihn zu observieren", meinte Scully. Man
kann nie wissen, ob er uns nicht doch noch auf die richtige Spur
führt." Mulder war einverstanden.
***
Sheriff Houston?"
Jimmy, komm' rein, was ist denn?", meint Houston und sah
von seinen Akten auf. Nach seiner kleinen Aufklärungsarbeit in
der Stadthalle war er zurück in sein department gefahren und
verschaffte sich einen Überblick über den derzeitigen Stand
der Dinge. Vielleicht hatte sie ja doch etwas übersehen.
Der Deputie trat ein und
mit ihm eine Frau um die sechzig. Mrs. Jakobs, was machen Sie
denn hier?", fragte Houston verdutzt. Sollten Sie nicht
bei den anderen in der Stadthalle sein?" Houston sah seinen
Deputie fragend an. Sheriff Houston, Mrs. Jakobs bat mich, sie
kurz nach Hause zu begleiten. Sie sagte, sie hätte etwas, das
uns helfen könnte." Houston setzte sich auf. Das war
interessant. Nun, Mrs. Jakobs, setzen sie sich. Also, was haben
Sie für mich?" Nun, als ich gehört hatte, dass
der alte Fluch für diese schrecklichen Morde verantwortlich sein
soll, ist mir etwas eingefallen, dass ihnen helfen könnte."
Sie öffnete ihre Handtasche und holte daraus ein kleines
Stoffbeutelchen hervor. Sie übergab es Sheriff Houston. Seit
Generationen wird dies in unserer Familie weitergereicht. Es soll
unserem ersten Vorfahren in dieser Stadt von eben dem alten Indianer
übergeben worden sein, der damals die ersten Siedler davor
gewarnt hatte, hier zu bauen." Langsam öffnete Houston das
Säckchen. Es enthielt ein rotes Pulver. Wozu soll das gut
sein?", fragte er. Es soll vor den Geistern schützen.",
antwortete Mrs. Jakobs. Man soll es einfach über den
streuen, der den Geistern am nächsten ist." Was
meinen Sie denn mit den Geistern am nächsten"?",
fragte Houston verwirrt. Mrs. Jakobs zuckte mit den Schultern und
schüttelte bedauerlich den Kopf. Ich weiß es auch
nicht, Sheriff Houston, es tut mir leid. Alles, was ich ihnen sagen
kann, ist das, was mir erzählt wurde." Ist schon in
Ordnung, Mrs. Jakobs", meinte Houston dann, vielen Dank
für alles. Bitte lassen Sie sich nun aber von Jimmy wieder in
die Stadthalle begleiten. Ich halte Sie und die anderen über
alles auf dem Laufenden." Nachdem er wieder alleine in seinem
Büro saß betrachtete Sheriff Houston das kleine Beutelchen
in seiner Hand. Vielleicht war an diesen alten Legenden ja doch etwas
Wahres dran. Er stand auf und machte sich auf den Weg zu Mulder und
Scully.
***
Das sieht genauso aus
wie das grüne Pulver von gestern Abend.", bemerkte Scully.
Und Sie sind sicher, dass wir es einfach nur über
irgendjemanden streuen müssen?" Das war es, was Mrs.
Jakobs mir sagte", bestätigte Houston, nachdem er Scully
und Mulder das Säckchen mit dem roten Pulver übergeben
hatte. Und sagte sie auch, wem wir es überstreuen
sollen?", fragte Scully weiter. Sie sagte, man müsse
es über den streuen, der den Geistern am nächsten ist."
Den Geistern am nächsten?", fragte Mulder dazwischen.
Genau das habe ich sie auch gefragt, aber so drückte sie
sich aus.", Houston zuckte die Schultern. Nun, dann werden
wir mit der Überwachung von Kyles Haus fortfahren. Vielleicht
führt er uns ja zu dem oder den jenigen, die für all das
die Verantwortung tragen.", meinte Scully. Houston nickte und
wandte sich zum Gehen. Wenn Sie mich brauchen, ich bin entweder
in meinem Büro oder in der Stadthalle." In Ordnung,
Sheriff", meinte Mulder. Hey, Scully,", wandte er
sich dann seiner Partnerin zu, was halten sie von der Theorie,
dass es sich bei dem, der den Geistern am nächsten ist, um den
Verbündeten handelt? Das wäre doch praktisch." Scully
seufzte, sie hatte langsam wirklich genug von diesen abstrusen Ideen
und Theorien ihres Partners. Ja, Mulder, wirklich sehr
praktisch. Jetzt müssen wir Ihren Verbündeten nur noch
finden und der Fall ist gelöst." Mulder grinste.
Seit fast zwei Stunden
saßen sie nun schon hier in einem Zimmer eines Hauses, das den
perfekten Ausblick auf das Haus ihres Verdächtigen bot. Doch
bisher hatte sich nichts gerührt.
Plötzlich setzte
Mulder sich auf. Scully, er verlässt das Haus!"
Sofort eilten beide aus dem Haus, vorbei an den verdutzten
Eigentümern, auf die Straße. Kyle war erst wenige Schritte
von seiner Haustüre entfernt und schritt langsam die Straße
hinunter. Die beiden Ermittler liefen zu ihm. Kyle, bleiben sie
stehen, wo wollen Sie hin." Doch Kyle reagierte nicht. Wie in
Trance mit starrer Haltung und reglosem Ausdruck in den Augen und dem
Gesicht setzte er weiterhin einen Fuß vor den anderen und ließ
sich weder von Scully noch von Mulder aufhalten, die sich ihm in den
Weg stellten. Er wirkt wie hypnotisiert.", bemerkte Scully
ratlos. Mulder nickte. Er hatte inzwischen seine eigene Vorstellung
von dem, was hier soeben geschah. Es scheint so, als hätten
die Geister Besitz von ihm ergriffen, Scully. Vielleicht ist er das
Werkzeug, durch das sie wirken." Sie meinen, er führt
die Morde im Namen der Geister durch? Mulder, das glauben Sie doch
nicht wirklich?" Kommen Sie Scully, wir werden sehen",
meinte Mulder und folgte Kyle, der weiterhin unbeirrt seines Weges
ging. Scully folgte ihrem Partner, auch sie war neugierig, wohin Kyle
sie führen würde, doch die Theorien ihres Partners teilte
sie keinesfalls. Mulder!" Er sah sich nach ihr um. Was
ist denn, Scully?" Sehen Sie nur, Mulder.", und sie
deutete in eine Richtung, die Mulder mit den Augen verfolgte. Nebel
zog auf. Mulder, was hat das alles zu bedeuten?", fragte
Scully. Langsam bekam die Angelegenheit einen höchst
unheimlichen Charakter. Kommen Sie", meinte dieser nur,
wir dürfen ihn nicht verlieren."
Mulder, er scheint in
Richtung Stadthalle zu gehen.", bemerkte Scully nach einigen
Minuten. Genau das habe ich eben auch gedacht, Scully.",
meinte Mulder. Und tatsächlich, nach einigen weiteren Minuten
erreichte Kyle die Stadthalle und machte vor ihr Halt. Der Nebel war
schon sehr dicht geworden. Hören Sie das, Scully?",
fragte Mulder plötzlich. Sind das Trommeln?", fragte
Scully. Es hört sich wirklich wie fernes Trommelgeräusch
an.", bestätigte auch Mulder. Bleiben Sie zurück!",
rief Mulder den Deputies zu, die Kyle bemerkt hatten und ihn
aufhalten wollten. Zögernd zogen sie sich wieder zurück.
Kyle schritt währenddessen bis zum Eingang der Stadthalle und
kniete nieder. Langsam holte er das Stoffsäckchen aus seiner
Hosentasche hervor und bestreute die Türschwelle mit grünem
Pulver. Sehen Sie nur, Mulder.", raunte Scully ihrem
Partner zu. Er ist der Verbündete!", erwiderte
dieser. Da könnten Sie recht haben", meinte Scully.
Dann ist es jetzt wohl an der Zeit, das Pulver anzuwenden."
Vorsichtig näherte sich Scully dem Knieenden und streute dann
eine Handvoll des roten Pulvers über ihn.
***
Wie von einer gigantischen
Druckwelle wurde Scully fortgeschleudert und mit ihr der entstandene
Nebel. Scully!", rief Mulder und rannte zu seiner
Partnerin, die nun benommen am Boden lag. Ist alles in Ordnung?
Sind sie verletzt?" Nein, nein, alles in Ordnung, mir geht
es gut. Aber, was ... was war das?" Ich weiß es
nicht", gestand Mulder, die Geister versuchen scheinbar
uns davon abzuhalten." Mulder, ...", begann Scully
und wollte Einwand erheben gegen diese Theorie, doch sie kam nicht
dazu. Plötzlich lief Kyle in die Mitte der Straße und
schlug wild um sich, er schrie. Was ist das? Helft mir!"
Eine rote Wolke drehte sich um ihn, nebelte ihn ein. Sehen Sie,
Scully, das Pulver scheint zu wirken", staunte Mulder. Scully
war sprachlos. Wie war so etwas nur möglich? Von irgendwo her
ertönten Trommelgeräusche. Nun erfüllte ein Rauschen
die Luft und leise Indianergesänge waren zu hören. Kyle war
vor Erschöpfung zusammengebrochen und kniete nun auf der Straße,
noch immer umhüllte von der roten Wolke. Plötzlich fasste
er sich an die Schläfen und riß die Augen auf. Ein
rasender Schmerz durchfuhr ihn und er schrie aus vollem Leibe. Ein
Schwall grünen Nebels stieg plötzlich aus seinem Mund
hervor und schoß in die Höhe. Kyle sackte erschöpft
in sich zusammen. Die rote Wolke verließ ihn, verfolgte den
grünen Nebel, fing ihn ein und umhüllte ihn vollständig.
Die Trommeln verstummten, während der Gesang der Indianer
zunahm. Dann schien die Wolke lautlos zu explodieren und die Partikel
stoben nach allen Seiten auseinander und verloren sich in der
endlosen Weite des Himmels. Es war vorbei.
ENDE
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